Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Zimmer. »Dass du gekommen bist, meine ich.« Er schien nervös. »Ich hätte das wohl besser sofort erzählen sollen, aber es handelt sich um eine heikle Angelegenheit, und ich bin mir auch nicht sicher, ob es etwas mit der Sache zu tun hat. Schließlich war letztendlich das Museum Bohuslän für das Schwert zuständig, als es verschwand. Aber das, was du mir am Freitag erzählt hast, dass das Schwert als Mordwaffe benutzt worden sein könnte, hat mich nachdenklich gemacht.«
Carsten nickte wortlos. Schweigen war manchmal die beste Art, den anderen zum Reden zu bringen.
»Was Börje gesagt hat, stimmt: Wir zeigen die Waffen nicht in den Führungen. Aber ausgerechnet das Henkersschwert war Teil einer Führung. Einer privaten Führung am Abend.«
»Einer Privatführung?«, fragte Carsten.
»Früher gab es hier zwei Sammlungsdirektoren. Rebecka und mich. Rebecka ist ungeheuer gebildet und weiß doppelt so viel wie ich, obwohl sie erst halb so alt ist. Wir konnten unheimlich gut zusammenarbeiten. Als Sammlungsdirektor hat man schließlich eine große Verantwortung, weil man die Gegenstände für kommende Generationen aufbewahrt und das Wissen und das kulturelle Erbe weiterträgt. Rebecka hat sich jedoch noch andere Gedanken gemacht, zum Beispiel über unsere Verantwortunggegenüber der Wissenschaft im Allgemeinen. Sie hat sich intensiv mit Psychometrie auseinandergesetzt – sagt dir der Begriff etwas?«
Carsten schüttelte den Kopf. »Das könnte daran liegen, dass ich Däne bin«, lächelte er. Harald schien sich ein wenig entspannt zu haben. »Was ist denn das, Psychometrie?«
»Die umstrittene Lehre vom Gedächtnis der Dinge.«
Carsten beugte sich nach vorn. Die Sache klang interessant, auch wenn er keinen Zusammenhang mit dem Einbruch im Stadtmuseum erkennen konnte, der im Übrigen so gut wie aufgeklärt zu sein schien.
»Das musst du mir erklären.«
»Falls Dinge ein Gedächtnis haben, falls Dinge uns erzählen könnten, was sie miterlebt haben – kannst du dir vorstellen, wie großartig das wäre?«
»Ob ich mir das vorstellen kann?«, fragte Carsten lächelnd. »Ich als Polizist? Darauf kannst du dich verlassen. Das wäre wie Weihnachten und Ostern an einem Tag.«
Harald nickte.
»Es wird diskutiert, inwieweit die Dinge ein Gedächtnis haben, ob der Gegenstand selbst der Träger ist oder ob es vom Betrachter abhängt. Vielleicht braucht er eine besondere Fähigkeit, um die Information aufzunehmen, die ihm das Ding vermitteln will. Ansonsten wäre es ja so, als würde man ein Buch lesen. Man könnte den Gegenstand seine Geschichte selbst erzählen lassen. Rebecka hat Experimente zu dem Thema durchgeführt, und während eines dieser Versuche kamen in einem unserer Schauräume mehrere Gegenstände zur Anwendung. Das Henkersschwert war auch dabei. Wir dürfen die Gegenstände ja nicht mit bloßen Händen berühren, sondern müssen Handschuhe tragen, aber um die Geschichte eines Gegenstands wahrzunehmen, muss man ihn betasten und festhalten. Sonstbekommt man keinen Kontakt zu ihm. An diesem Abend hatte Rebecka einige Leute eingeladen, die sich für Psychometrie interessieren.«
»Was ist passiert?«
»Eine der Teilnehmerinnen bekam Kontakt und reagierte äußerst aufgewühlt. Geradezu geschockt. Sie erlebte so etwas wohl zum ersten Mal. Zum Teil schockierte sie die Geschichte des Gegenstands, aber auch ihre eigene Fähigkeit, glaube ich.«
»Mit welchem Gegenstand war sie in Kontakt?«
»Mit einem Messgewand aus dem fünfzehnten Jahrhundert und mit besagtem Henkersschwert. Es waren noch ein paar Dinge dabei, aber die riefen nicht so eine heftige Reaktion hervor wie das Schwert.«
»Weißt du, wie sie heißt?«
»Marianne Ekstedt. Rebeckas Mutter.«
Carsten zog eine Augenbraue hoch.
»Zu wie vielen wart ihr?«
»Mit mir sechs.«
»Wer waren die anderen?«
»Die Namen weiß ich nicht, jedenfalls nicht alle. Aber die Sache kam raus, und Rebecka musste hier aufhören.«
»Sie wurde entlassen?«
»Nein, von der Kommune Göteborg bekommt man keine Kündigung. Man wird versetzt.«
»Wie könnte das deiner Ansicht nach mit dem Raub des Henkersschwertes zusammenhängen? Hat Rebecka etwas damit zu tun?«, fragte Carsten.
»Niemals. Ich weiß auch nicht, ob die Sache überhaupt etwas mit dem Schwert zu tun hat, aber als ich von dir erfuhr, dass es als Mordwaffe gedient haben könnte, wollte ich euch keine Informationen vorenthalten. Rebecka hat mich geschützt, indem sie gegenüber der
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