Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
obwohl ich eine Menge Nachrichten auf den Anrufbeantworter gesprochen habe.«
»Mädels? Hatte sie Töchter?«, fragte Anders.
»Drei Stück. Aber sie waren nie hier.«
»Was ist mit der Leiche von Frau Hedlund?«
»Eingeäschert. Die Asche wurde vom Pflegepersonal im Friedwald verstreut.«
Das ging aber schnell, dachte Karin. Die Leiche einzuäschern, obwohl man die Angehörigen noch nicht erreicht hat. Sie war ja erst vor kurzem gestorben.
»Besteht die Möglichkeit, ihre Wohnung zu sehen?«,fragte Karin. Britt starrte sie zunächst an und brachte dann mit einem lauten Seufzen zum Ausdruck, was für eine Zumutung das war.
»Ich weiß zwar nicht, wozu das gut sein soll, aber ich kann gern den Schlüssel holen.«
Karin zuckte die Achseln.
»Wo wir gerade hier sind«, sagte sie zu Anders und fügte im Flüsterton hinzu: »Wie charmant.«
»Nichts gegen die Leute aus Trollhättan«, erwiderte Anders leise. Karin grinste und musste an Folke denken, der an dem Dialekt der Frau sicher seine Freude gehabt hätte.
Hjördis Hedlund hatte in Nummer 13b gewohnt. Sie wollten gerade das Hauptgebäude verlassen, als die Luke aufging und Britt ans Telefon gerufen wurde. Nach winzigem Zögern gab sie den Schlüssel an Anders weiter und zeigte auf eine der Häuserreihen.
»Wir sind also gekommen, um die Mutter vom Tod ihrer Töchter zu unterrichten, und müssen feststellen, dass sie selbst verstorben ist?«, murmelte Karin nachdenklich.
»Sieht ganz so aus. Wenn ich ehrlich sein soll, bin ich ziemlich erleichtert. Ich habe mir schon den Kopf darüber zerbrochen, wie ich mich ausdrücken soll, aber es gibt keine schonende Art und Weise, jemandem mitzuteilen, dass ein Angehöriger ermordet worden ist. Und eine detaillierte Beschreibung des Tathergangs wäre in diesem Fall ein Alptraum gewesen.«
»Ist das nicht ein merkwürdiges Zusammentreffen?«, fragte Karin, während Anders Haus 13b aufschloss.
Auf dem Briefkasten stand mit weißen Plastikbuchstaben »Hedlund«. Der dritte Buchstabe war verrutscht und hing nun ein Stück unterhalb der anderen. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn wieder hochzuschieben.Wahrscheinlich lag das daran, dass hier bald mit neuen Plastikbuchstaben ein anderer Name stehen würde.
»Was?«, fragte Anders gedankenverloren.
»Die ganze Familie.«
Obwohl im Flur ein Schrubber und ein Staubsauger standen, roch es muffig. Nach Einsamkeit und Krankheit, dachte Karin und betrachtete die knallgelbe Ajaxflasche neben dem Putzeimer. Plötzlich überkam sie ein schlechtes Gewissen. Ihre Großmutter Anna-Lisa hatte sie auch schon lange nicht mehr besucht. Sie gab sich selbst das Versprechen, es bald zu tun.
Das Haus war ausgeräumt. Nur die Möbel standen noch da. Vielleicht wurden sie mitvermietet. Die Jalousien waren heruntergezogen. Im Wohnzimmer standen drei Umzugskartons an der Wand. Karin öffnete einen davon. Nippes und Tischläufer. Sie machte ihn wieder zu und öffnete den nächsten. Ganz oben lag ein Fotoalbum. Karin schlug es auf, griff zerstreut nach dem Zettel, der herausfiel, und betrachtete die ersten Bilder. Eine ältere und drei jüngere Frauen. Wahrscheinlich ihre Töchter. Dann erstarrte sie. Eine der Frauen erkannte sie von den Fotos im Rechtsmedizinischen Institut wieder. Das musste die Frau sein, deren Kopf man im Garten von Frau Wilson gefunden hatte. Sie wollte gerade Anders davon erzählen, als ein Mann nahezu lautlos zur Tür hereinkam und sich umsah. Dann machte er plötzlich das Licht im Flur aus.
»Hallo«, sprach Karin ihn an. Er hatte kurze Haare und war fast so breit wie hoch.
»Bist du eine von den Töchtern?«, fragte der Mann. Nervös sah er sich um und wartete ihre Antwort nicht ab. »Ich bin Hjördis’ Nachbar. Wir haben an dem Tag Karten gespielt.«
»Wann war das?«, fragte Karin.
»Als sie … starb«, antwortete der Mann.
»Was hatte sie denn?«
»Nichts. Es ging ihr gut. Die behaupten, sie habe sich verletzt und all das, weil sie oft hingefallen wäre, aber das ist nicht wahr.«
»Was hatte sie denn für eine Verletzung?«, fragte Karin. »Eine schwere?«
»Ja, schließlich ist sie gestorben. Sie sah aus, als hätte sie Kopfstand gemacht. Sie war umgefallen und hatte sich die Nase gebrochen, aber ich weiß, dass sie Besuch hatte. Ich weiß, dass jemand hier war.«
»Ein Nasenbruch?« Karin lief ein Schauer über den Rücken, während sie auf die Antwort des Mannes wartete. Sie wollte gerade fragen, von wem Hjördis Besuch gehabt hatte, als
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