Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Museumsleitung nie erwähnt hat, dass ich bei der Sitzung ebenfallsanwesend war. Sonst hätten wir beide hier aufhören müssen.«
Carsten nickte.
»Ich bräuchte die Namen der anderen Teilnehmer, soweit sie dir bekannt sind. Vielleicht muss ich auch mit Rebecka sprechen. Wo arbeitet sie jetzt?«
»Sie ist Lehrerin an der Fiskebäcksskolan in Västra Frölunda«, sagte Harald.
Carsten dachte nach.
Das kam ihm bekannt vor. Plötzlich fiel es ihm wieder ein. Die Schulklasse, die im Opferhain die Leiche gefunden hatte.
Gut Nygård, Vargön, Frühling 2009
Als Kristian sich an diesem Freitag von Disa Hedlund verabschiedete und nach Hause fuhr, hatte er miese Laune. Dass sie Askos Existenz hartnäckig leugnete, betrachtete er als Ausdruck reiner Bosheit. Er hatte fast das Gefühl, sie greifen zu können. Sogar die Rosen im Beet vor ihrem Reihenhaus erweckten den Eindruck, als hielten sie absichtlich Abstand von der Hauswand und wollten ihre Wurzeln aus der Erde ziehen und sich aus dem Staub machen.
Marianne war die ganze Woche damit beschäftigt gewesen, ein Fest zur Tagundnachtgleiche im geistigen Zentrum vorzubereiten. In einem schwachen Moment hatte Kristian ihr angeboten, es auf Nygård zu veranstalten, und in den vergangenen Tagen hatte sich der Ort verändert. Autos waren von dort verbannt worden und mussten einen Kilometer vom Gebäude entfernt parken. Aus allen Himmelsrichtungen strömten Menschen in Verkleidung – manche kamen angeritten, manche mit
Pferd und Wagen, und einige kamen zu Fuß. Die Zufahrtsstraße war von Fackeln gesäumt. Kristian schaltete die Scheinwerfer aus, stellte sein Auto neben dem Haus ab und ging los.
In diesem Moment fiel ihm ein, dass er kein Kostüm besaß – als was hätte er sich verkleiden können? Er öffnete die alte Eingangstür und schlich sich durch den Keller ins Haus. Marianne nahm oben gerade die Gäste in Empfang, und er wollte ungern die Stimmung kaputtmachen, indem er dort unverkleidet auftauchte. Ein Geräusch im dunklen Keller ließ ihn herumfahren. Auf einem Hocker in der alten Küche saß Asko.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er zu Kristian. »Aber ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll. Du müsstest die da oben mal sehen. Wenn man bedenkt, wie wir früher immer über die Insel gerannt sind, würden wir zwar ganz gut dazupassen, aber ich weiß nicht … Ich ziehe ernsthaft in Erwägung, hier unten zu bleiben. Außerdem besitze ich lediglich eine Mönchskutte, und in der bin ich irgendwie nicht ich selbst.«
»Ich habe das gleiche Problem«, sagte Kristian. In diesem Moment fiel ihm ein, dass sie vor vielen Jahren beabsichtigt hatten, den Dachboden auszumisten, aber nie dazu gekommen waren.
»Der Dachboden. Dort könnte etwas sein. Alte Klamotten und vielleicht Hüte. Was hältst du davon?«
»Wie ich Torsten kenne, gibt es da oben alles, was man sich vorstellen kann. ›Zweihundert Jahre alter Krempel‹, hat er das nicht immer gesagt?« Kristian nickte. Sein Vater hatte die Angewohnheit gehabt, so gut wie alles für die Nachwelt aufzubewahren.
Oben auf dem Dachboden klappte Asko schon den dritten Überseekoffer auf und durchwühlte seinen Inhalt. Frauenkleidung. Ausgeschlossen, selbst wenn sie ihm von der Größe hätte passen können. Er warf einen Blick auf die Uhr. Höchste Zeit, hinunterzugehen. Plötzlich kam er auf die Lösung. In einem Kleiderschrank hingen die Talare und Pfeifenkragen, die Torsten so wichtig gewesen waren.
»Ja, die können wir nehmen.« Kristian strahlte. »Ich hole uns zwei Bier, und dann gehen wir zum Umziehen in die Bibliothek, dort ist es wärmer.«
Asko erinnerte sich daran, wie er sich als kleiner Junge vor den Kleidungsstücken und ihrem ehemaligen Besitzer hatte verbeugen müssen. Nicht auszudenken, wenn Torsten jetzt hätte sehen können, wie sie sich damit kostümierten.
»Ich möchte dir etwas zeigen.« Kristian trat ans Bücherregal. Er musste einen Augenblick suchen. Dann schloss er die Glastür einer Vitrine auf und holte vorsichtig ein Buch heraus. »Ein Exemplar des Malleus Maleficarum aus dem Jahre 1669.«
»Der Hexenhammer?«, fragte Asko beeindruckt. »Welche Rolle hat die Familie Bagge noch mal in den Marstrander Hexenprozessen gespielt?«
Kristian schlug das Buch auf und zeigte auf die verschnörkelten Buchstaben. »Mit Anmerkungen meines Ahnherrn Fredrik Bagge.« Kristian stand mit dem Buch in der Hand in dem alten Priestergewand da. »So kommt man sich fast vor wie er, ich meine,
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