Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
von Tätigkeit kannst du dir denn vorstellen?«
»Wie soll ich eine neue Stelle bekommen, wenn ich gleich frage, ob ich mit fünfundzwanzig oder fünfzig Prozent anfangen kann?«
»Einen Versuch wäre es wert.«
Tomas beugte sich nach vorn. Sara merkte, dass er sich bemühte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Ich habe im Auftrag meiner Firma eine ganze Reihe von Menschen eingestellt und muss ehrlicherweise gestehen, dass ich noch nie jemandem mit Burn-out-Syndrom eine Stelle gegeben habe. Mir hat der Mut gefehlt. Schließlich besteht die Gefahr, dass es der betreffenden Person wieder schlechter geht. So schön der Gedanke auch ist, dass Menschen ehrlich von ihrer Krankheit berichten, glaube ich nicht, dass Sara einen Job bekommt, wenn sie beim Vorstellungsgespräch fragt, ob sie mit fünfundzwanzig Prozent anfangen kann. Außerdem bin ich der Meinung, dass das Unternehmen, das ihre Erkrankung verschuldet hat, ihr auch beim Wiedereinstieg behilflich sein sollte. Das ist deren verdammte Pflicht und Schuldigkeit.«
Maria klappte den Ordner mit Saras Unterlagen zu und nahm die Brille ab, die daraufhin an einer roten Plastikkette vor ihrer Brust baumelte.
»Meiner Ansicht nach hast du zwei Möglichkeiten, Sara. Entweder suchst du dir eine andere Stelle, oder du steigerst dich an deinem jetzigen Arbeitsplatz in einem angemessenen Zeitrahmen auf einhundert Prozent. Andernfalls werden wir deine Situation wohl untersuchen müssen. Das würde für den Anfang ein Gespräch mit dem Versicherungsarzt bedeuten.«
»Meine Güte«, sagte Tomas. »Hörst du Sara denn nicht zu? Du weißt doch, was der Betriebsarzt in seinem Gutachten geschrieben hat.«
»Unser Versicherungsarzt würde Saras Zustand möglicherweise anders beurteilen. Ich bin der Meinung, dass Sara länger arbeiten kann.«
Sara bekam kaum noch Luft.
»Ich glaube nicht, dass du dir vorstellen kannst, wie verletzlich man sich nach einer solchen Sache fühlt«, sagte sie. »Du siehst gar nicht, wie sehr ich mich bemühe, wieder auf die Beine zu kommen. Ich habe mich gerade etwas berappelt, aber anstatt mich zu unterstützen, stellst du mir noch ein Bein.«
Hinterher versank Sara mit geschlossenen Augen im Autositz. Sie war vollkommen am Ende, aber für heute hatte sie es wenigstens überstanden.
»Wie geht es dir?«, fragte Tomas und strich ihr über die Wange.
Sara fühlte sich wie zerschlagen und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»So geht das nicht weiter. Was für ein Drachen.« Kopfschüttelnd bremste er vor dem Kreisverkehr in Ytterby. Trotz der doppelten durchgezogenen Linie zog ein silbernerMercedes an ihnen vorüber. Die entgegenkommenden Autos hupten aufgebracht.
»Ein armes Schwein, das total unter Druck steht«, sagte Sara.
»So ein Idiot. Das hätte übel ausgehen können.«
»Mal im Ernst, Tomas. Was soll ich tun? Wenn wir das Geld nicht bräuchten, könnte mich die Versicherung kreuzweise. Aber der Kredit für das Haus, die Kinderklamotten, Essen und Benzin müssen ja auch bezahlt werden. Diese Termine sind so grauenhaft.«
»So kann es allerdings auf keinen Fall weitergehen. Ich bin froh, dass ich mitgekommen bin, weil ich jetzt weiß, was du meinst. Ich sehe zwar die Nachrichten und lese Zeitung, aber dass es da wirklich so zugeht, hätte ich mir in meinen wildesten Phantasien nicht ausmalen können. Ich will nicht, dass du dich zwingst, deine Arbeitszeit zu erhöhen, wenn du dafür noch nicht bereit bist. Zu Hause werden wir unsere Finanzen durchgehen und überlegen, ob es nicht noch eine andere Lösung gibt.«
Tomas verstummte, strich ihr über die Wange und wischte ihre Tränen weg.
»Wir könnten das Boot verkaufen«, sagte er schließlich.
Sara blickte auf.
»Du liebst doch das Boot.«
»Dich liebe ich mehr.«
Carsten überquerte gerade die Älvsborgsbron, als sein Handy klingelte. Er steckte sich das Headset in die Ohren und ging ran.
»Carsten Heed.«
Der Mann am anderen Ende zögerte, aber nur einen Moment.
»Hier ist Harald Bodin vom Stadtmuseum. Könntest du vielleicht herkommen?«
»Ich bin in der Nähe und könnte in zehn Minuten bei euch sein.« Carsten bog rechts ab, anstatt geradeaus weiter nach Torslanda zu fahren. Er gab Helene Bescheid, dass er auf dem Heimweg noch einen Termin hatte und sich vielleicht verspäten würde. Dann stellte er den Wagen vor dem Stadtmuseum ab. Hier stand nur noch ein anderes Auto. Ein alter roter Volvo 240.
»Danke.« Harald Bodin nahm Carsten mit in sein
Weitere Kostenlose Bücher