Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Beinen ganz zu schweigen. Ihre Schuhe schienen mit Blei gefüllt zu sein, und beim Auftreten platzte ihr fast der Schädel. Sie hoffte, dass es ihr besser ging, wenn sie ausgeschlafen hatte. Morgen war schließlich auch noch ein Tag.
Folke klang mehr als skeptisch, als sie ihm am Telefon von dem Gespräch mit Lycke berichtete. Er fing gleich davon an, dass es besser gewesen wäre, wenn Robban oder er Lycke aufgesucht hätten. Karin merkte ihm an, dass er ihre Unvoreingenommenheit stark in Zweifel zog. An und für sich hatte er damit ja auch recht. Trotzdem wies sie ihn in ziemlich schnippischem Ton darauf hin, dass sie weder blind noch taub war.
Das Handy verhielt sich in letzter Zeit merkwürdig. Oft landeten Nachrichten auf ihrer Mailbox, obwohl das Telefon eingeschaltet gewesen war, aber nicht geklingelt hatte. Hin und wieder schaltete es sich ohne Vorwarnung von alleine ab. Nun piepte es, und es stellte sich heraus, dass sie drei neue Mitteilungen hatte. Die erste stammte von Johan, der sich nach ihrem Befinden erkundigte. Er war an diesem Abend im Kristallsaal im Rathaus, um letzte Hand an eine Ausstellung zu legen, und sagte, dass er sich über Karins Besuch freuen würde. Die Nachricht von Lycke war erst vor zwei Minuten eingegangen. Sie musste das Telefon wirklich durchchecken lassen. Das Stahlboot hatte zwar mit Sicherheit einen Einfluss auf den Empfang, aber sie hatte auch schon Probleme damit gehabt, wenn sie nicht an Bord war. Lycke teilte mit, ein Kollege von Karin habe angerufen, ein gewisser Folke, der sie bat, am nächsten Tag ins Präsidium zu kommen. Lycke hatte sich dazu bereit erklärt.
Karin legte den Kopf aufs Kissen und überlegte, ob sie noch die Energie hatte, die Fähre nach Marstrandsön zu nehmen und zum Rathaus zu gehen, war aber mit ihren Überlegungen noch nicht weit gekommen, als die Müdigkeit sie überwältigte. Daher kam sie gar nicht mehr dazu, die dritte Nachricht abzuhören, die ebenfalls von Johan stammte und von der Entdeckung handelte, die im Rathauskeller gemacht worden war.
17
Gut Nygård, Vargön, Frühling 2009,
Fest zur Tagundnachtgleiche – am selben Abend
Marianne war in einem Sessel im Kapitänssalon versunken und weinte.
»Er schläft jetzt.« Kristian legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich habe ihm etwas zur Beruhigung gegeben.«
»Mein Gott.« Kopfschüttelnd wischte sie sich die Wimperntusche ab, die ihr übers Gesicht gelaufen war.
Der Abend hatte ein schreckliches Ende genommen. Mit Asko, der sich anfangs unter die Gäste gemischt und seine Rolle als Pfarrer sichtlich genossen hatte, war allmählich eine Veränderung vor sich gegangen. Als eine Frau angerannt kam und berichtete, der verrückte Pfarrer habe sie geschlagen, hielt Marianne das zunächst für ein Missverständnis. Dann fand sie Asko und war entsetzt. Er war laut und grob und schon von weit her zu hören. Die anderen Gäste hielten sich von ihm fern. Einige waren sogar abgefahren.
Kristian hatte dafür plädiert, Asko noch eine Weile Zeit zum Austoben zu lassen, doch schließlich hatte er Marianne beigestanden. Mit vereinten Kräften hatten sie ihn ins Gästezimmer verfrachtet. Und jetzt saßen sie im Kapitänssalon. Askos Talar hing über einem Sessel. Der Stoff hatte sich in Falten gelegt, als würde er grinsen.
»Was da für Energien frei geworden sind!«, schwärmte Kristian. »Er war großartig.«
»Bist du nicht mehr bei Trost? Das war doch eine Katastrophe!«
»Nun, im Hinblick auf das Fest war die Aktion vielleicht nicht so gelungen, aber ich glaube, Asko hat es gutgetan.«
»Gut? Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Doch, wirklich. Ich glaube, dass er einiges ausgelebt hat. Er konnte Energie freisetzen und sich von altem Leid befreien.«
»Er ist total ausgerastet.«
»Manche Leute weinen sich still und leise bei ihrem Therapeuten aus. Asko hat mich eher an einen Vulkanausbruch erinnert. Da sind jahrelang angestaute Ängste, Trauer und Wut aus ihm herausgeschossen. Schade für dein Fest, aber Asko wird morgen bestimmt wie ein neuer Mensch aufwachen.«
»Hast du dir überhaupt schon mal überlegt, dass das Trauma auch verschlimmert werden könnte? Wir entfesseln Kräfte, die wir nicht im Geringsten kontrollieren können, und das kann ins Gegenteil umschlagen. Möglicherweise schadet es ihm. Vielleicht bekommt er sogar eine Psychose. Du als Arzt müsstest das doch bedenken.«
»Willst ausgerechnet du meine medizinische Kompetenz in Frage stellen?«
»In diesem Fall
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