Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Kamin anmachen, um ein bisschen runterzukommen.«
Sorgfältig knüllte Lycke Zeitungspapier und legte einige kleinere Holzstücke darauf. Dann holte sie drei Kerzenstummel aus einer Kiste und setzte sie auf das Anmachholz. Obendrauf schichtete sie einige zersägte Bretter. »Ich wage mir kaum vorzustellen, was wäre, wenn es in diesem Haus brennt.« Sie setzte sich aufs Sofa und drehte sich zu Karin um. »Schieß los.«
»Die Frau, die im Rosenlund gefunden wurde«, begann Karin.
»In Askos Haus, meinst du.«
»Ja. Nun, wir haben dort noch ein paar Dinge gefunden. Unter anderem eine Weinflasche und zwei Gläser.«
Lycke sah sie wortlos an.
»Auf dem einen Glas und der Flasche waren Askos Fingerabdrücke«, sagte Karin.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Asko etwas mit ihrem Tod zu tun hat«, erwiderte Lycke. »In meinen Augen ist er wirklich ein von Grund auf ehrlicher und guter Mensch.«
»Eigentlich wollte ich dich nach deinen Fingerabdrücken fragen«, sagte Karin.
»Nach meinen Fingerabdrücken? Was meinst du damit?«
»Deine Fingerabdrücke waren auch auf der Weinflasche. Und das bedeutet, dass du sie irgendwann angefasst haben musst.« Karin wollte zwar, dass Lycke sich zunächst selbst dazu äußerte, konnte sich aber mittlerweilegut vorstellen, wie die Fingerabdrücke auf die Flasche gekommen waren. Es fragte sich nur, wer sich die Mühe gemacht hatte, die Flasche zu entwenden.
»Was? Warte mal. Meine Fingerabdrücke waren auf einer Weinflasche in Askos Haus? Das kann doch gar nicht sein.« Lycke starrte sie an.
»Jerker hat doch deine Fingerabdrücke in das Suchprogramm eingegeben, als du mit Walter auf mich gewartet hast. Erinnerst du dich, dass ihr euch über das Programm unterhalten habt?«
»Diesen Teil der Geschichte verstehe ich schon, aber ich kann einfach nicht begreifen, wie meine Fingerabdrücke auf einer Flasche in Askos Haus gelandet sein sollen.«
»Bist du schon mal dort gewesen? In dem Haus im Rosenlund?«
»Ein einziges Mal, da bin ich mit Walter bei ihnen vorbeispaziert, als ich in Elternzeit war, aber ins Haus sind wir nicht rein. Asko und Marianne, so heißt seine Frau, machten gerade Frühjahrsputz im Garten, und deshalb haben wir den Kaffee draußen im Stehen getrunken. Wenn ich mich recht entsinne, wurde er im Becher serviert.«
Die Abdrücke auf der Flasche erklärt das allerdings nicht, dachte Karin bei sich.
»Ich verstehe das nicht«, fuhr Lycke fort. »Kann man denn irgendwo meine Fingerabdrücke nehmen und sie woanders anbringen? Geht das? Aber wozu sollte das gut sein? Und wer hätte etwas davon? Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll.«
»Hast du Asko vielleicht mal eine Flasche Wein geschenkt? Oder hast du mit ihm zusammen Wein getrunken?«
»Nein.« Lycke verstummte. »Nur während der Konferenz.« Sie blickte auf. »Das Kick-off-Meeting im Maritime«, sagte sie dann. »Da haben wir Wein getrunken, ichzumindest. Ich glaube übrigens nicht, dass Asko mehr als ein Glas getrunken hat, denn er hatte das Auto dabei und wollte noch fahren.«
»Hat er die Flasche denn angefasst?« Karin musste an das denken, was ihr Folke am Telefon erzählt hatte. Asko hatte gesagt, er habe die Weingläser noch nie gesehen. Solche besäßen sie gar nicht.
»Ich weiß noch, dass er mir mindestens zwei Mal nachgeschenkt hat«, sagte Lycke. »Du meinst, irgendjemand könnte sich die Flasche beschafft haben?«
»Ehrlich gesagt, weiß ich das auch nicht, aber bislang ist das die beste Erklärung«, erwiderte Karin. »Auch wenn sie nicht besonders logisch klingt.«
Karin bedankte sich mit gemischten Gefühlen bei Lycke. Gab es etwas Schlimmeres, als eine gute Freundin zu fragen, ob sie etwas mit einem Mord zu tun habe? Ja, sagte sie sich: sie zu verdächtigen.
Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, sagte Lycke: »Es ist völlig okay, Karin«, und nahm sie in den Arm.
Nichts ist okay, dachte Karin, während sie zurück zum Boot ging. Ganz im Gegenteil. Wollte etwa jemand den Eindruck erwecken, Lycke wäre in den Mord an der Frau im Rosenlund verwickelt? Wer hätte daran ein Interesse? Und warum? Karin überlegte einen Moment, ob sie mit der Fähre auf die andere Seite fahren und sich in der Villa Maritime die Gläser ansehen sollte, aber sie musste sich erholen. Sie wusste nicht, ob es an den Krankheitserregern von Walter lag oder ob sie es seit dem Urlaub mit der Arbeit übertrieben hatte. Jedenfalls spürte sie ein Kratzen im Hals und hatte einen schweren Kopf – von den
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