Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass sie nichts mit der Sache zu tun hat.«
Karin stellte die Einkaufstüte ab und drehte mit der freien Hand den Schlüssel um. Das Schloss musste dringend geölt werden.
»Nein, es ist besser, wenn ich mit ihr rede, sie kann im Moment sowieso nicht zu euch kommen. Ihr Sohn ist krank. Was ist denn so wahnsinnig dringend …«
Folkes Antwort brachte sie zum Schweigen.
»Wie ist denn das möglich?«, fragte sie. »Du meinst, sie …? Tu mir einen Gefallen: Sag Jerker, er soll sich bei mir melden, bevor ich zu ihr rübergehe. Okay? Tschüs.«
Ohne die Jacke auszuziehen oder die Einkäufe auszupacken, ließ Karin sich schwerfällig auf die Sitzbankin der Kajüte sinken. Auf einmal überkam sie eine große Müdigkeit, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Da die letzte Zeit alles andere als ereignislos gewesen war, brauchte sie sich darüber eigentlich nicht zu wundern, aber dass Lycke mit all diesen Ereignissen etwas zu tun haben sollte, glaubte sie nie im Leben. Die Konferenz im Maritime, dachte sie dann. Das Abendessen. Sowohl Asko als auch Lycke hatten den Abend in dem Hotel verbracht. Allzu schwierig dürfte es nicht gewesen sein, der Flasche habhaft zu werden, die auf ihrem Tisch gestanden hatte und natürlich Fingerabdrücke von beiden aufwies.
Die Kälte aus den Polstern drang durch ihre Jeans. Zitternd stand sie auf, klopfte auf die Dieselanzeige und pumpte einige Liter für den Heizofen hoch. Dann zündete sie die Petroleumlampe über dem Tisch an und stellte einen Kessel Teewasser auf die Kochplatte.
Langsam breitete sich die Wärme von Lampe und Ofen aus und vertrieb die Kälte. Karin hängte ihre Jacke an den Messinghaken neben dem Navigationstisch. Sie hatte sich wirklich darauf gefreut, sich nur noch auf die gepolsterte Bank zu legen und gar nichts zu tun, und verspürte nicht die geringste Lust, das Boot noch einmal zu verlassen. Sie wollte Musik hören und ein gutes Buch lesen. Und an Johan denken. Beim Gedanken an ihn wurde ihr warm ums Herz. Sie musste lächeln.
Karin hängte einen Teebeutel in den Becher und goss kochendes Wasser darauf. Während der Tee zog, schnitt sie sich drei Scheiben von dem frischen Roggenbrot ab. Ein paar Scheiben Gurken mussten ihr schlechtes Gewissen beruhigen, weil sie sich anstelle eines richtigen Abendessens nur Brote machte. Folke hätte das vermutlich gar nicht gefallen. Nach dem Essen stand sie widerwillig auf und stellte den Teebecher in das kleine Spülbecken. Den Käsehobel und das Buttermesser steckte sie in den Becherund schüttete das restliche heiße Wasser dazu. Der Abwasch musste warten, bis sie zurückkam. Am besten, sie brachte es so schnell wie möglich hinter sich, sagte sich Karin, während sie das Petroleumlicht löschte. Sie drehte die Heizung herunter und zog sich die winddichte Mütze über den Kopf. Ganz hinten im Schrank fand sie den dunkelblauen Fleeceschal, den sie im Winter beim Segeln trug. Durch den kam die Kälte nicht durch. Dann drückte sie das Vorhängeschloss zu und stieg über die Reling.
Vorsichtig klopfte Karin bei Lycke an. Walter schlief wahrscheinlich schon, und sie wollte ihn auf keinen Fall aufwecken. Sie klopfte noch einmal so leise wie möglich. Hinter der verglasten Veranda ertönten Schritte. Dann tauchte Lycke auf. Als sie Karin erblickte, machte sie ein erstauntes Gesicht.
»Hallo, Karin. Ist alles in Ordnung?«, fragte sie, während sie die Tür öffnete.
»Darf ich kurz reinkommen?«
»Ja, natürlich. Walter ist gerade eingeschlafen, ich war es übrigens auch. Es ist verhängnisvoll, sich zu ihm ins Bett zu legen. Ich weiß nicht, wie oft ich dort schon um elf aufgewacht bin und einsehen musste, dass der Abend vorbei war. Walter hat ein fiebersenkendes Mittel bekommen, aber solange das noch nicht wirkt, schläft er so unruhig.«
»Mama«, ertönte eine klägliche Stimme, und Lycke verschwand im Innern des Hauses.
Karin zog sich die Schuhe aus und hängte ihre Jacke auf. Im Garderobenspiegel sah sie ihre Nase, die schon von dem kurzen Spaziergang kalt und rot geworden war. Vorsichtig massierte sie sie, wovon sie allerdings nur noch röter wurde.
Lycke kam zurück.
»Entschuldige die Störung, insbesondere, weil es Walter nicht gutgeht«, sagte Karin leise.
»Ich nehme an, es ist wichtig. Du klingst so förmlich.«
»Ja, ich muss dir eine Frage stellen, die mit den Ermittlungen zusammenhängt.«
»Komm, wir setzen uns aufs Sofa. Ich wollte sowieso den
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