Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
keine unliebsamen Überraschungen bereithielt, und wählte die Nummer von Marita, die sich hoffentlich noch im Polizeigebäude befand.
»Nein«, sagte Marita. »Keine früheren Ehen. Zwei Töchter mit Asko Ekstedt. Warte, da ist etwas. Aber das ist eine alte Geschichte, lass mal sehen. 1965. Verdammter Mist, jetzt verpasse ich die Straßenbahn.«
»Wenn du mir das ausdruckst, komme ich vorbei und fahre dich nach Hause.« Folke kehrte am Kreisverkehr Toltorpdalen um.
Nachdem er Marita nach Hause gebracht hatte, fuhr er zurück ins Büro. Erst nachdem er das gesamte Material durchgesehen hatte, rief er Robban an.
»Marianne Ekstedt war in einen alten Fall verwickelt?«, fragte sein Kollege.
»Genau«, sagte Folke. »Ein Fall aus dem Jahre 1965.«
»Bei dem es um Folgendes ging …«, fügte Robban hinzu, um ihn zum Fortfahren zu animieren.
»Um einen Unglücksfall, bei dem ihre Großeltern ums Leben kamen.«
»Wie denn, Folke?«
»Kohlenmonoxidvergiftung.«
»Nee!«, gab Robban erstaunt zurück.
»Doch«, erwiderte Folke.
»Wo denn das?«
»Auf Marstrandsön.«
»Du machst Witze.«
»Keineswegs«, antwortete Folke ernst. Er hörte Robban seufzen, hatte aber keine Ahnung, warum.
»Mensch, Folke,
wo
denn nun auf Marstrandsön?«
»Möchtest du, dass ich dir den Bericht vorlese? Er ist achtzehn Seiten lang.«
»Nein, das will ich nicht, ich frage mich nur, wo auf Marstrandsön das passiert ist. Hast du die Adresse?«
»Adresse … Warte mal, ich sehe nach … bei den Verstorbenen handelt es sich um Schuhmacher Jönsson und seine Frau, Marianne war ihr Enkelkind. Adresse … Kyrkogatan, nein, hier steht noch ein Straßenname, offenbar handelt es sich um ein Eckhaus. Kyrkogatan Ecke Hospitalsgatan.«
Robban schnappte nach Luft.
»Mist. Hospitalsgatan 7«, sagte er. »Das ist das Haus von Helny Wilson, wo wir den Kopf gefunden haben. Ruf Carsten an.«
Carsten hörte Folke zu und stellte hin und wieder Zwischenfragen.
»Robban hat am Freitag mit Marianne Ekstedt gesprochen«, sagte Carsten. »Sie hat ausdrücklich gesagt, dass sie verreisen und nicht erreichbar sein wird. Was du da erzählst, muss nicht das Geringste mit unserem Fall zu tun haben, aber ich werde der Sache auf jeden Fall nachgehen. Mariannes Kollegin soll mich morgen anrufen und mir alle Angaben zu Mariannes Reisegewohnheiten mitteilen. Sie soll Marita auch ein paar Fotos von Marianne mailen. Ich möchte, dass du und Robban mit den Ermittlungen an der Stelle weitermacht, wo ihr gerade seid. Diese Geschichte ist doch ziemlich lange her, und da steht nur, dass das Mädchen anwesend war und die Verstorbenen gefunden hat.«
»Ja, aber …«, begann Folke.
»Wie gesagt, ich kümmere mich darum. Bis morgen.«
Das Wetter an diesem Morgen war merkwürdig. Oben war der Himmel hellblau, aber unten schien der Künstler seine Farbwahl bereut und noch einmal mit einem dunkleren Graublau angefangen zu haben, das nun bis zumHorizont reichte. Es sah seltsam aus. Unnatürlich. Auf Marstrand blieben an diesem Morgen die Leute stehen und kommentierten das Phänomen. Später würde man darüber diskutieren, ob hier vielleicht zwei Welten aufeinandergestoßen waren. Gegenwart und Vergangenheit. Oder vielleicht Gut und Böse?
Lycke fluchte, als sie merkte, dass sie den Bus verpasst hatte. Sie hatte zu Hause nach der Abfahrtszeit gesehen, aber offenbar hatte sie noch einen Sommerfahrplan. Walter wurde netterweise von seiner Oma betreut, und nun stand sie an der Bushaltestelle. Der nächste Bus fuhr erst in zwei Stunden. Verdammter Mist. Sie hatte gerade zu überlegen begonnen, welches Auto sie sich wohl für einen Tag ausleihen konnte, als neben ihr ein Pick-up hielt. Erstaunt sah sie Kristian Wester, den Betriebsarzt ihrer Firma, daraus winken.
»Soll ich dich mit in die Stadt nehmen?«
»Gern.« Lycke stieg in den blauen Transporter. Sie stellte einen Koffer vom Beifahrersitz auf den Fußboden und klemmte ihre Beine und ihre Laptoptasche neben das schicke gelbe Bordcase. Richtig gute Qualität, ein Samsonite natürlich.
»Danke, das ist wirklich nett. Mein Sohn ist krank. Seine Oma kümmert sich um ihn. Ich habe bei der Arbeit einige Besprechungen, die ich besser nicht versäumen sollte. Leider habe ich den Bus verpasst.« Kristian nickte wortlos. Er wirkte zerstreut.
»Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass du ausgerechnet so ein Auto fährst.« Kaum hatte sie das gesagt, fragte sich Lycke, ob ihre Bemerkung den Mann vielleicht kränken
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