Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
ausgeliehen. Normalerweise tun wir das nicht, also Computer verleihen, aber er steckte in der Klemme. Vom Zeitpunkt her passt es zu dem, was ihr erzählt habt. Außerdem interessierte er sich unheimlich für Geschichte, er war nahezu besessen von der Vergangenheit.« Johan strich sich nachdenklich über die Stirn. »Ich beschäftige mich ja nebenbei mit Antiquitäten und habe ihm ein paar Tipps gegeben …«
Karin dachte an Johans Wohnung, an den flandrischen Gobelin und die schönen hauchdünnen Gläser. An das Frühstück, das sie serviert bekommen hatte, und an den Pfosten eines Bettes mit abgehackter Nase, das angeblich einst im Kalmarer Schloss gestanden hatte.
»In letzter Zeit hat er sich merkwürdig verhalten. Eigentlich hätte ich mich längst melden und den Computer zurückverlangen müssen, aber ich habe das vor mir hergeschoben. Ich möchte niemanden anschwärzen, aber er hat mich einmal gebeten, ihm Dinge zu besorgen, die mir nicht ganz sauber erschienen. Es ist schon ein paar Monate her. Am Ende habe ich behauptet, ich wüsste nicht, wie man an solche Sachen herankommt.«
»Worum ging es denn?«
»Um so ein Henkersschwert, wie sie es im Stadtmuseum haben.«
»Hatten«, korrigierte ihn Folke.
An Deck ertönte ein Klopfen, und Robban schob den Kopf durch die Luke nach draußen. Einen Augenblick später stieg Sara ins Boot. Verwundert blickte sie zuerst Johan und dann Folke und schließlich Karin an, die noch im Flanellschlafanzug in der Koje lag.
»Hallo, Sara«, sagte Karin. »Jetzt musst du alles noch einmal erzählen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich am Telefon richtig mitgekommen bin.«
Sara schien nicht wohl dabei zu sein.
»Es klingt bestimmt seltsam, aber ich habe einer älteren Dame, die Ahnenforschung betreibt, versprochen, es zu erzählen. Wir machen ja im Rathaus eine Ausstellung über die Hexenprozesse in Marstrand. Um einen Bezug zur Gegenwart herzustellen, haben wir untersucht, ob eine der hier hingerichteten Frauen noch lebende Verwandte hat.«
Es war still im Boot. Alle warteten auf die Fortsetzung.
»Und das hat sie. Asko Ekstedt, dem die Villa im Rosenlund gehört, ist direkt mit einer der Frauen verwandt …«
»Und Marianne Ekstedt ist verschwunden«, sagte Robban schnell.
»Das ist noch nicht alles.« Sara dachte an den erst wenige Minuten zurückliegenden Anruf von der aufgewühlten Majken. »Marianne Ekstedt ist ebenfalls mit der Frau verwandt. Sowohl Asko als auch Marianne sind Nachfahren von je einem Familienzweig von Malin, die wegen Hexerei verurteilt wurde. Asko stammt von ihrem Sohn Lars und Marianne von der Tochter Sigrid ab.« Sara überlegte, ob sie sich richtig erinnerte. Aber genau das hatte Majken doch gesagt, oder?
»Sie sind verwandt?«
»Ich finde, das ist ein merkwürdiger Zufall. Vor allem, wenn ich an gestern denke.« Sie nickte Johan zu.
»Das könnte mit dem zusammenhängen, was ich dir gestern Abend erzählt habe.«
»Gestern Abend?«
»Ich habe dir auf die Mailbox gesprochen«, sagte Johan.
»Scheißtelefon«, sagte Karin. »Das habe ich nicht gehört. Los, erzähl!«
Johan berichtete von der Ausstellung im Kristallsaal des Rathauses, die sich mit den Hexenprozessen in ganz Bohuslän beschäftigte, aber einen Schwerpunkt auf die Ereignisse hier in Marstrand legte.
»Eigentlich passierten mehrere Dinge … Erinnerst du dich noch, dass Georg genau beschrieb, wo sich die Thorshämmer in den Felsen beim Opferhain befinden?«
Karin nickte.
»Georg und ich unterhielten uns gerade, als Frau Wilson sich zu uns gesellte. Sie war von Anfang an gegen die Ausstellung gewesen und hatte mit aller Macht versucht, sie zu verhindern. Sogar unser Gemeindepfarrer hat erboste Anrufe von ihr erhalten. Sie drohte damit, aus der Schwedischen Kirche auszutreten, und fragte ihn, ob er wirklich wolle, dass ans Licht komme, welche Rolle die Kirche damals gespielt habe.«
»Meine Güte«, sagte Karin.
»Der Strom fiel aus, und als das Licht wieder anging, war Frau Wilson verschwunden. Auf dem Heimweg gingen Georg und ich bei ihr vorbei, und da war sie vollkommen durch den Wind.«
»In welcher Hinsicht?«, fragte Karin.
»In jeder. Sie war nicht mehr sie selbst. Meinte, sie hätte in ihrem Garten eine Hexe gesehen, die ›Asche‹ sagte.«
»Asche?«, fragte Karin nachdenklich. »Oder vielleicht Asko?«
»In der Nachricht, die ich dir auf die Mailbox gesprochenhabe, ging es jedoch um Saras Entdeckung im Rathauskeller.«
Karin sah Sara an und wartete
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