Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Küche.
Birger drehte sich um und blickte in das angsterfüllte Gesicht des Jungen. Aina schien ihre Worte bereits zu bereuen, aber nun war es zu spät. Kerstin drängte sich in den Hausflur.
»Dummer Junge!«, schrie sie, bevor sie ihren Ton ein wenig dämpfte und zu dem Jungen ging. Sie streckte die Hand aus, um seine Wange zu tätscheln, aber er wich der Berührung aus.
»Wie heißt er?«, fragte Birger.
»Was tut das zur Sache? Hauptsache, er hat sich wieder angefunden.« Kerstin drehte sich wieder zu dem Jungen um. »Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht! Jetzt sei so gut und komm mit.« Sie zerrte den Jungen auf die Füße, aber er entwischte ihr, versteckte sich hinter Birger und klammerte sich an dessen Hosenbeine.
»Lass nicht zu, dass sie mich mitnimmt.«
»Was ist mit seinem Ohr passiert? Und mit dem Arm?«
»Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen.« Kerstin packte den Jungen am gesunden Arm.
Aina war aufgestanden und trat nun neben ihren Mann.
»Bedank dich für das Essen!« Kerstin versetzte ihm einen Stoß. »Vergiss nicht, einen Diener zu machen!«
Der Junge streckte die Hand aus und verbeugte sich tief.
»Vielen Dank für das Essen, Tante.«
»So. Dann gehen wir.« Grob scheuchte Kerstin ihn zur Tür. Der Junge sah Birger mit großen Augen an. Während er sich verbeugte und für das Frühstück bedankte, flüsterte er so leise, dass nur Birger ihn hören konnte: »Ich bin im Keller eingesperrt.«
4
Johan zeigte auf die Häuser und erzählte, während sie durch die Hospitalsgatan zum Hafen hinuntergingen, wo das Restaurant Lasse-Maja lag. Hier begrüßten ihn sowohl die Angestellten als auch mehrere Gäste, als sie vom Kai hereinkamen.
»Hinter dem Haus kann man draußen sitzen. Dort ist es viel netter als drinnen.«
Karin wollte gerade an der Theke vorbei, als sie jemanden rufen hörte.
»Hallo, Karin!«
Sie drehte sich um und erblickte Göran. Er saß umgeben von vier Freunden an einem runden Fenstertisch. Karin kannte alle und ging zu ihnen, um sie zu begrüßen. Göran umarmte sie stürmisch und legte den Arm um sie. Dann entdeckte er Johan.
»Und das ist?« Göran nickte in Johans Richtung.
»Johan Lindblom.« Johan gab ihm die Hand.
Göran ergriff sie widerwillig, hielt jedoch noch immer schützend den Arm um Karin.
»Wir waren auf den Färöern«, sagte Göran. »Jetzt sind wir auf dem Heimweg. Es hätte dir gefallen.«
»Da bin ich mir sicher«, erwiderte Karin. »Welche Route habt ihr denn genommen? Von den Färöern zu den Shetlandinseln oder direkt nach Norwegen?«
»Eigentlich hätten wir direkt nach Norwegen fahren sollen, aber wir mussten umdisponieren. Henke wird ja immer so schrecklich seekrank.«
Henke lächelte matt und legte keinen Widerspruch ein.
»Ich hab dein Boot im Hafen gesehen«, sagte Göran. »Sieht schön aus. Wohnst du immer noch an Bord?«
Karin nickte.
»Allein?« fragte Göran laut genug, dass Johan es hören konnte.
»Wie man es nimmt. Meine Oma und ein paar Freunde sind mit mir gesegelt. Ganz allein bin ich also nicht gewesen.«
»Wo warst du denn den Sommer über?«
»Bohuslän«, antwortete Karin warmherzig.
Göran konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Du und dein Bohuslän, und im CD-Player wie immer Evert Taube?«
»Genau«, erwiderte Karin. »Dann macht es mal gut. Gute Fahrt hinunter zum Långedrag, Henke. Sei vorsichtig, wenn du am Rivöfjord vorbeikommst.« Lächelnd befreite sie sich aus Görans Umarmung. Missmutig blickte er Johan hinterher, der Karin erst vorbeiließ und ihr dann folgte.
Es war fast wie am Mittelmeer, dachte Karin. Hinten auf dem gepflasterten Hof hatte das Restaurant eine Außenküche mit einem großen Pizzaofen. Extra angefertigte Sonnensegel bildeten ein weißes Dach, und auf den robusten Sitzbänken lagen weiße Polster. An einigen Stellen war eine Bodenplatte entfernt worden, und die nackte Erde diente als Beet für einen Baum oder eine Kletterpflanze, die nach oben strebte und Sichtschutz war zwischen den Tischen.
»Hier war ich noch nie«, sagte Karin. »Wie gemütlich!«
»Eins meiner Lieblingsrestaurants. Du … dieser Göran, lass mich raten, das ist dein Ex, oder?« Johan sah sie an.
»Stimmt genau«, sagte Karin. »Er ist übrigens nicht ganz so plump, wie er auf den ersten Blick wirkt.«
»Aber ich wage zu behaupten, dass er noch Gefühle für dich hat.«
»Vielleicht. Das weiß ich nicht«, sagte Karin nachdenklich, als ob ihr der Gedanke noch nicht gekommen
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