Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Touristen anzulocken. Andere sind der Meinung, es handle sich um eine Opferstelle aus heidnischer Zeit. Ein kleines Grüppchen behauptet, der Stein sei ungemein bedeutsam gewesen. Sie begründen das unter anderem damit, dass hier ringsherum Thorshämmer in die Felsen gekerbt wurden.«
»Gib es hier solche Zeichen?«
»Ja, aber sie sind schwer zu finden. Zumindest vier sind mir bekannt. Zwei am Berg und zwei auf Steinen sehe ich vor mir.« Johan sah sich um. »Was möglicherweise für die Annahme spricht, dass der Opferstein von Bedeutung war, ist die Tatsache, dass sich alle Thorshämmer in genau derselben Entfernung von ihm befinden.«
»Ist es weit bis zum nächsten Zeichen?«
»Nein, ich glaube nicht.« Johan sah sich unschlüssig um, bevor er losging. »Tut mir leid«, sagte er, nachdem er eine Weile gesucht hatte. »Wenn man nicht ganz genau weiß, wo sie sich befinden, hat man keine Chance. Ich kann mich mal bei einem der Alten erkundigen, und dann kommen wir wieder.«
Sie waren bei der Festung angekommen und kletterten über das vertrocknete Gras auf dem Wall. Johan stieg nicht den steilen Festungshügel hinunter, sondern ging noch ein Stück weiter, bis sie sich im Innern der Mauern befanden und zu einer Öffnung gelangten, die zur alten Zugbrücke führte. Diese war nun immer heruntergelassen, und die schwere Eisenkette war mit frischer schwarzer Farbe angemalt.
»Als Martin und ich klein waren, haben wir immer hier bei der Festung gespielt. Damals konnte man noch an anderen Stellen hineinklettern, aber die sind heute alle verschlossen, verriegelt und gesichert. Manchmal kamen wir im Dunkeln hierher. Ich weiß noch, wie ich dachte, ich könnte die Gefangenen in den Zellen rufen hören.«
»Wann saßen denn Häftlinge in der Festung?«
»Vom Ende des siebzehnten Jahrhunderts bis 1854. Dann wurden sie nach Göteborg verlegt. Zur Festungsanlage Skansen Kronan und auf die Festung Älvsborg. Man wollte die Gefängnisinsassen nicht mehr auf Carlsten haben, weil man sich dort für den Krimkrieg rüstete.«
Karin nickte, ohne zu verraten, dass sie vom Krimkrieg keine Ahnung hatte. Stattdessen überlegte sie, ob die Häftlinge damals schon über dieselben dunklen Bretter der Zugbrücke gegangen waren, die sie gerade überquerten. Wohl kaum, dachte sie, sie waren wahrscheinlich seitdem schon mehrfach erneuert worden. Aber nach Teer roch es immer noch, wenn die Sonne auf die Brücke schien. Sie beugte sich hinunter und betrachtete das Holz aus der Nähe. Johan sah sie an.
»Teer«, erklärte sie. »Herrlich. Bei diesem Geruch muss ich immer an die Sommer meiner Kindheit denken.«
»Was hältst du von einer Mittagspause?«, fragte Johan. »Ich lade dich zum Essen ein.«
Am Samstag schien die Sonne, und Marstrand zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Lycke saß mit einer Tasse Kaffee auf der Veranda und beobachtete die Interessenten, die am »Zu verkaufen«-Schild im Nachbargarten vorbeikamen. Traurig sah sie Leute aus ihren Geländewagen steigen und hörte sie den Makler fragen, ob es Liegeplätze für Boote gebe und ob man das Haus erweitern dürfe. Bis vor kurzem hatte Majken, eine nette alte Dame, dort gewohnt, aber nun hatte sie einen Platz im Marstrander Seniorenheim bekommen. Erst als der letzte Umzugswagen abgefahren und Majken sich in ihrer Wohnung im Heim eingerichtet hatte, stellte sich heraus, dass das Haus offiziell dem Sohn gehörte. Der wohnte mittlerweile in Stockholm und fühlte sich seinem Elternhaus nicht sonderlich verbunden. Drei Tage nach Majkens Auszug wurde die Immobilie im Internet zum Verkauf angeboten. Das Baden im Meer, das Segelmekka und die Schärenidylle mit den königlichen Ahnen dienten als Lockmittel.
Majken hatte immer davon gesprochen, dass sie ihr Haus an jemanden verkaufen wolle, der das ganze Jahrüber darin wohnen und die alte Standuhr aus Stjärnsund im Flur übernehmen würde, aber seit der Sohn den Verkauf in die Hand genommen hatte, machte sich Lycke diesbezüglich keine Illusionen mehr. Einige Autos hatten ausländische Nummernschilder. Sie wollte gerade hineingehen, als sie im Haus auf der anderen Seite Sara erblickte. Lycke winkte und zeigte auf ihren Latte macchiato. Zu ihrem Erstaunen nickte Sara. Schnell ging sie hinein und bereitete noch zwei Latte macchiato zu, während Sara mit Linus und Linnéa in den Garten kam. Sie setzten sich unter den Apfelbaum.
»Das ist einfach zu deprimierend.« Lycke zeigte auf Majkens Haus.
»Hoffentlich kommen
Weitere Kostenlose Bücher