Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
mahlen. Das Geräusch klang anheimelnd.
»Schreckliche Dinge passieren da«, sagte Signe. »Und das ausgerechnet in Frau Wilsons Garten«, fügte sie hinzu.
»Hat es mit dem eine besondere Bewandtnis?«, fragte Karin. Sie hoffte, dass sie endlich einen Anhaltspunkt finden würde.
»Also, wenn du Frau Wilson selbst fragst, dann nicht. Aber wir haben ja eine Bestandsaufnahme von allen Häusern hier draußen in Marstrand gemacht, sowohl auf Koön als auch auf Marstrandsön.«
»Die CD-ROMs«, erläuterte Johan. Karin nickte.
»Jeder Eigentümer sollte erzählen, was er über das eigene Haus wusste. Einige von ihnen haben ja eine lange Geschichte, und in gewissen Fällen hatten wir vom Heimatverein dank unserer Archive mehr Informationen als die Hausbesitzer selbst. Die meisten waren ganz begeistert, als wir ihnen alte Geschichten erzählten, von denen sie nichts wussten, aber nicht so Frau Wilson. Sie hat ein bisschen über ihr Haus, aber natürlich vor allem über ihren Garten geschrieben. Schrecklich viele lateinische Namen, wenn ich mich recht entsinne. Als wir ihr unser gesamtes Material und die Geschichte des Gebäudes zeigten, wurde sie furchtbar … wütend. Wir versuchten, mit ihr zu reden und sie davon zu überzeugen, dass diese Dinge für kommende Generationen interessant sind, aber dafür hatte sie nicht das geringste Verständnis.«
»Was hat sie denn gesagt?«, wollte Karin wissen.
»Es war ja nicht so, dass sie mit der Geschichte des Hauses nicht vertraut gewesen wäre, aber sie wollte ganz einfach nicht, dass sie bewahrt wird. Sie stellte sich quer. Sagte, wenn wir uns nicht an das hielten, was sie uns über das Grundstück erzählt hatte, könnte ihr Haus eben gar nicht in das Verzeichnis aufgenommen werden.«
»Was war denn so schlimm?«, fragte Karin.
»Zunächst einmal der Name des Viertels. Es heißt Hexe. Das durften wir am Ende allerdings schreiben, weil alle anderen Bewohner nichts dagegen einzuwenden hatten.«
»Heißt es wirklich so? Hexe?« Karin sah verwundert aus.
»Natürlich. Das Haus steht nämlich genau dort, wo Malin im Winkel gewohnt hat. Malin im Winkel wurde 1634 geboren und war eine kluge Frau. Wenn sie heute gelebt hätte, wäre sie wahrscheinlich Ärztin geworden. Nachdem ihr Mann ertrunken war, stand sie als Witweallein mit zwei Kindern da. Sie half bei Geburten und wenn die Leute krank waren oder sich verletzt hatten. Doch dann kamen Gerüchte in Umlauf, Malin sei angeblich eine Hexe. Schließlich kam sie in ihrer kleinen Hütte, in der sie allein mit den beiden Kindern und ohne Mann lebte, erstaunlich gut zurecht. Von den vielen Menschen, denen sie im Laufe der Jahre geholfen hatte, verteidigte sie niemand. Am Ende wurde sie an der Stelle, wo sich heute der Kai befindet, der Wasserprobe unterzogen, aber da sie nicht unterging, galt sie fortan als Hexe. Sie wurde geköpft und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ihr Haus wurde ebenfalls angezündet. Dreißig Jahre später, im Jahre 1701, wurde an derselben Stelle ein neues Haus errichtet, und in dem lebt heute Frau Wilson. Böse Zungen behaupten, der Garten sei nur aufgrund der Asche von Malins niedergebrannter Hütte so außergewöhnlich schön.«
»Und das wollte sie geheim halten?«, fragte Karin.
»Ganz genau. Aber von uns Alten, die sich ein bisschen für Geschichte interessieren, wissen natürlich trotzdem viele davon.«
»Ich nicht«, sagte Johan. »Ich weiß nur, dass diejenigen, die der Zauberei beschuldigt wurden und als Hexen galten, im Rathauskeller auf ihr Urteil warten mussten.«
»Wir haben versucht, Frau Wilson entgegenzukommen und den Kindern nichts davon zu erzählen«, sagte Georgs Frau.
»Den Kindern?«, lachte Johan. »Ich bin fünfunddreißig!«
»Der Pfarrer, den wir hier zu Malins Zeit hatten, also um 1660, hieß Fredrik Bagge«, sagte Signe.
Fredrik Bagges Gatan, daran erinnerte sich Karin. Auf dem Weg zum Boot kam sie täglich an dem Straßenschild vorbei.
»Fredrik Bagge wurde erst 1675 Pfarrer, mit den Hexenprozessen hatte er nichts zu tun«, stellte Georg richtig und fing sich einen bösen Blick von seiner Frau ein.
»Oh doch, in gewisser Hinsicht schon. Vielleicht nicht direkt, während er im Amt war, aber Fredrik Bagges Mutter wurde ebenfalls der Hexerei bezichtigt. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Frauen war der, dass die Mutter des Pfarrers einen Sohn hatte, der Fürsprache für sie einlegen konnte und als Pfarrer großes Ansehen genoss. Dass ihr Mann der
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