Die Tote im Badehaus
gegangen. Nasse Fußabdrücke verrieten mir, daß er vor relativ kurzer Zeit vom Badezimmer zum Telefon gerannt sein mußte. Der Anrufbeantworter hatte elf Nachrichten aufgezeichnet.
Die erste Nachricht war um zwölf Uhr dreißig aufgenommen worden und stammte von Hugh.
»Darling, Winnie hat mir gesagt, daß du in den Morgen- und Mittagsnachrichten zu sehen warst. Wenn jemand anruft, bleib ruhig und verweise sie an Mr. Ota. Mach dir keine Sorgen.«
»Hallo, Mrs. Shimura? Hier spricht Manami Tsureta.« Eine selbstsichere Frauenstimme. »Ich bin Reporterin bei der Japan Times und arbeite an einer Story über den Sendai-Mord. Ich hätte gerne eine Stellungnahme über Ihre Beziehung zu Hugh Glendinning. Bitte rufen Sie mich zurück.«
Bisher war ich ein Fan von Ms. Tsuretas investigativem Journalismus gewesen, aber ich wollte absolut nicht zu einem ihrer Fälle werden. Als sie ihre Nummer sagte, spulte ich weiter zum nächsten Anruf, der von einem Mann mit rauher, primitiver Stimme stammte.
»Hier spricht Nao von News To You. Wir machen einen Beitrag zum Thema ›Die Geliebten des Mörders‹ und hätten gerne, daß Sie zu diversen Vorwürfen Stellung nehmen. Es ist in Ihrem Interesse. Sie finden sich sicher bereit dazu.«
»Hier ist Karen. Ich sehe, daß du immer noch mein Junko-Shimada-Kostüm in der Stadt herumführst. Die Aufnahme abends hat mir gut gefallen, wo du keine Bluse darunter trägst. Ich würde das ja auch gerne einmal versuchen, aber bei meiner Oberweite würden sie mich wahrscheinlich festnehmen. Wieso hast du eigentlich heute morgen Stilettos getragen? Total abgefahren!«
»Okuhara hier, Polizei von Shiroyama. Ich muß noch einmal mit Ihnen sprechen.«
»Hier ist Ishida, ich rufe wegen Ihres antiken Kästchens an. Ich habe Neuigkeiten aus dem Museum. Bitte rufen Sie mich möglichst bald an, wenn Sie Zeit haben.«
»Hallo, Rei, hier ist Joe Roncolotta. Mittwoch, gegen Mittag. Sie hatten heute morgen einen klasse Auftritt im Fernsehen. Ich wollte Sie nur wissen lassen, daß jetzt der ideale Zeitpunkt wäre, um Ihren Antiquitäteneinkaufsservice zu eröffnen. Rufen Sie mich zurück, ja?«
»Rei, hier spricht deine Mutter. Wo warst du letztes Wochenende, und weshalb hast du mich nicht zurückgerufen? Wir wüßten gerne, ob du noch lebst.«
»Wakajima vom Yomiuri Shibum. Wir veröffentlichen eine Story über Hugh Glendinning und brauchen Ihre Stellungnahme. Ich versuche es in Ihrem Büro.«
»Hier ist noch mal dein Liebhaber. Ich war jetzt in Setsukos Reisebüro … die haben mir etwas Merkwürdiges erzählt. Wann kommst du denn von der Arbeit nach Hause? Ruf mich an, bevor du vorbeikommst, dann kann ich schon mal das Badewasser einlassen. Ach, Richard, diese Nachricht gilt übrigens nicht dir.«
»Rei, hier spricht dein Cousin Tom. Ein Engländer ist ins Krankenhaus gekommen, mit einem blauen Auge und einem gebrochenen Knöchel. Es könnte sich um einen Verrückten handeln. Jedenfalls hat er mich gebeten, mich mit dir in Verbindung zu setzen …«
Hier wurde Toms Nachricht unterbrochen. Richard mußte zu diesem Zeitpunkt ans Telefon gegangen sein. Jetzt wußte ich, weshalb er nicht zum Unterricht erschienen war. Ich entledigte mich rasch meiner Strumpfhose und der Arbeitskleidung, zog mir Gymnastiksocken über meine von den Pumps wunden Füße und schlüpfte in Jeans und das Love-Cats-Friendship-T-Shirt. Ich band meine Perücke zu einem Pferdeschwanz, griff nach meinem Parka und rannte los.
Eine Stunde später traf ich Richard im Wartezimmer der Notaufnahme des St. Luke’s. Mariko saß neben ihm.
»Wenn dieser fürchterliche Parka nicht wäre, würde ich dich nicht wiedererkennen.« Er berührte meine künstlichen Haare und zuckte zurück. »Was meinst du, Mariko?«
»Ich hätte euch gestern abend aus der Bar schicken sollen, weil ich gewußt habe, daß die Reporter da waren. Ich habe alles vermasselt«, brummte Mariko.
Allmählich wurde einiges klarer. Die salarymen mit der Kamera am Nebentisch mußten zwei Journalisten gewesen sein. Sie waren Hugh und mir wahrscheinlich vom Club Marimba bis zu Roppongi Hills gefolgt und hatten mich deshalb am nächsten Morgen in aller Frühe erwischt.
»Kiki hatte Angst. Sie wollte auf alle Fälle verhindern, daß ihr wiederkommt und alles durcheinanderbringt …« Mariko verstummte.
»Keiko hat ein paar Schläger geschickt, die Hugh die Beine brechen sollten«, fügte Richard hinzu. »Glücklicherweise haben sie nur den angeknacksten Knöchel
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