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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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ganz klar inspiriert von einem Holzdruck des Künstlers Hashiguchi Goyō aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Ich fragte mich, ob die Zeitung Shin für das Bild bezahlt hatte oder für den gemeinen Kommentar, daß ich früher mal ein nettes Mädchen gewesen, dann aber extrem herrisch geworden sei.
    »Können wir die Nachrichten ansehen?« Ich langte nach der Fernbedienung.
    »Wie du willst!« Tante Norie hängte Wäsche auf der Terrasse auf und klopfte jedes Stück besonders heftig aus, um ihre Mißbilligung zu demonstrieren. Sie schlug die Stirn noch mehr in Falten, als News To You mit düsteren Trommeln anfing.
    Mr. Nanda, der Mann, der mir auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte, berichtete, daß Rei Shimura, Angestellte bei Nichiyu-Küchengeräten, höchstwahrscheinlich als Zeugin der Verteidigung aussagen würde, sollte Hugh Glendinning erneut festgenommen werden. Die Filmaufnahmen zeigten mich in ziemlicher Panik vor Roppongi Hills, und der Reporter sagte, das japanisch-amerikanische Partygirl habe zwei Abende zuvor mit Hugh und einem weiteren Ausländer den Club Marimba besucht.
    Der öffentlich-rechtliche Sender brachte einen seriöseren Beitrag über das offensichtliche Verschwinden von Hugh Glendinning, das die Polizei von Tokio nicht kommentieren wollte.
    »Die Polizei weiß, daß er im St. Luke’s ist. Ich habe sie informiert«, sagte Tom.
    »Wie aufmerksam.« Ich verdrehte die Augen.
    »Das mußte ich doch! Es ist gefährlich, so einen Patienten zu haben. Eigentlich …« ; ihm war plötzlich eine Idee gekommen, »Rei, wenn du als Zeugin aussagst, könnten sie dich vielleicht unter ständigen Polizeischutz stellen.«
    »Ich bin völlig in Sicherheit, jetzt, wo ich im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehe. Wer wird mir denn etwas tun, wenn die ganze Zeit Kameras auf mich gerichtet sind?«
    »Ich glaube, es wäre am besten, wenn du hier bei meiner Mutter bleibst. Kein Gangster wird dich in einem Häuschen in der Vorstadt suchen.«
    »Ich muß ins Krankenhaus und zu Nichiyu.« Mein Schock hatte sich gelegt, und die Vorstadt fand ich wenig reizvoll. Um fünf Uhr morgens hatten mich die Amseln mit ihrem wilden Gezwitscher geweckt, ein weit furchterregenderes Geräusch als alles, was ich je im Norden Tokios gehört hatte.
    »Der Unterricht sollte für dich jetzt an letzter Stelle stehen, und wenn dein Arbeitgeber ein wenig Erbarmen hat, dann wird er einsehen, daß du eine Beurlaubung brauchst«, insistierte Tom. Mein Cousin in seinem Elfenbeinturm wußte wenig über das Leben eines freien Mitarbeiters. Eine Beurlaubung bedeutete, daß ich nichts verdiente. Ich würde meinen Mietanteil nicht mehr bezahlen können, und Richard müßte sich einen neuen Mitbewohner suchen.
    Meine Sorgen wurden größer, als ich am Bahnhof ein paar englischsprachige Zeitungen kaufte. Die Japan Times brachte ein Foto von mir mit einem Bier in der Hand, das auf einer Feier von Nichiyu aufgenommen worden war. Zweifellos hatte ihnen einer meiner Schüler das Bild überlassen. Ich hoffte bloß, der Unterhosenschnappschuß würde nicht in den Zeitungen auftauchen. Der Reporter der Japan Times schrieb, ich hätte jeden Kommentar verweigert, was keinen besonders guten Eindruck machte. Ich hätte mich von Roppongi Hills ferngehalten, wenn ich gewußt hätte, daß ich für Hughs Verteidigung würde aussagen müssen. Weshalb hatte Hugh nicht daran gedacht? Dann kam mir der scheußliche Gedanke, daß Hugh vielleicht gerade aus diesem Grund mit mir geschlafen hatte – weil die kleine Englischlehrerin von Nichiyu bestimmt tun und sagen würde, was immer er wollte, sobald er sie einmal im Griff hatte.
    Als ich in die Orthopädie ging, war die Laus, die mir über die Leber gelaufen war, schon so groß wie der Ueno-Park. Ich schob den Vorhang zur Seite, der den Eingang zu Hughs Zimmer verdeckte, und betrachtete den großen weißen Rosenstrauß mit der Karte, auf der stand: »Grüße von Winnie und Piers« und die gelben Tulpen von Hikari Yasui, bevor ich zu Hugh ging, der hinter der Japan Times steckte.
    »Ich bin noch nicht soweit, Schwester«, brummte er. Als ich die Zeitung wegzog, hellte sich seine Miene auf. »Rei! Ich dachte, du wärst eine Krankenschwester. Jede Viertelstunde drängen sie mir eine Bettpfanne auf. Das ist die demütigendste Erfahrung, die ich je in meinem Leben machen mußte.«
    »War es im Gefängnis nicht schlimmer?« Ich erwiderte sein charmantes, schiefes Lächeln nicht.
    »Ziehst du bitte den Vorhang zu?« Er

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