Die Tote im Badehaus
verbracht hatten, meinen Kauf zu begutachten. Ich mußte mir unbedingt etwas für sie ausdenken.
Vor dem St. Luke’s begrüßte mich eine Reporterschar. Nachdem ich bei Karen gebadet und ihren Schrank durchsucht hatte, war ich eine neue Frau: ich trug einen weißen Ledertrenchcoat über einem cremefarbenen Satinstretchabendkleid, die sie beide noch für Fotoaufnahmen brauchte. »Du darfst nicht einmal daran denken, die Sachen schmutzig zu machen!« flehte sie, während ich Stein und Bein schwor, daß nichts passieren würde. Ich zog mir den knappen Mantel über die Oberschenkel, reagierte nicht auf die Fragen über meinen Unfall an der Station Minami-Senju und eilte in das angenehm warme Krankenhaus.
»Eine Vegetarierin, die Leder trägt. Wie erfrischend«, sagte Hugh, als ich an sein Bett trat.
Als ich den Mantel auszog, betrachtete er das geschmeidige Abendkleid. »Von wem ist das? So etwas trägst du doch sonst nicht.«
»Von Karen. Na ja, eigentlich ist es von Classy ausgeliehen.« Ich war froh, daß er sich mit meiner Kleidung beschäftigte. Ich hatte beschlossen, ihm nichts von dem Angreifer auf dem Motorrad zu erzählen.
»Ich meinte eigentlich«, er seufzte wegen der Sprachbarriere, die immer noch zwischen uns bestand, »wer dieses Kleid entworfen hat. Sonst trägst du doch nur deine Wildfang- oder Missionarskluft. Komm mal näher, damit ich es besser sehen kann.«
»Es ist von Hervé Léger.« Ich fühlte mich plötzlich ganz nackt.
»Du siehst aus wie eine ziemlich aufreizende Brautjungfer.« Sein Gesicht verriet mir nicht, ob es ein Erfolg oder eine Katastrophe war. »Mit den ganzen Riemen und ausgeschnittenen Stellen.«
»Karen hat gesagt, weil es teuer und französisch ist, kann ich es anziehen, aber ich weiß nicht …«
»Das kommt nur darauf an, was du tust und mit wem.« Er schob die Hand unter das Oberteil, und es durchzuckte mich, als seine Finger über meine nackte Haut glitten.
»Ich muß heute auf den Schwarz-Weiß-Ball im TAC.«
»Du spielst ein Spiel mit mir, nicht wahr?« fragte Hugh und zog die Hand weg. »Ein Eifersuchtsding.«
»Nein, es geht nur um einen Mann, der mir mit dem Amerikaner weiterhelfen kann …«
»Wer ist es?«
»Joe Roncolotta.«
Hugh war eine Minute lang still. Als er weitersprach, klang er mißmutig. »Seit wann bist du mit dem Zaren des gaijin -Businessestablishments befreundet?«
»Ich habe ihn vor ein paar Wochen angerufen. Wir waren einmal zusammen essen. Er hilft mir.«
»Bei seinem Alter und seinem Umfang ist er wohl ziemlich harmlos. Aber über den Amerikaner kann er dir nichts geben, was ich nicht auch hätte.«
»Was soll das heißen?« Ich lehnte mich unsicher über das Bett, denn ich wollte das Kleid nicht beim Sitzen zerknittern.
»Mein Deal mit Nakamura gestern abend war ziemlich einfach. Nachdem ich versprochen habe, ihn nicht bei Sendai zu verpfeifen, hat er zugestimmt, seinen Plan, den Eterna-Akku zu verkaufen, ad acta zu legen. Er wird Captain Okuhara außerdem sagen, daß wir das Haus mit seiner Erlaubnis betreten haben. Und schließlich hat er mir das gegeben, was wir die ganze Zeit gesucht haben: die Briefe von Setsukos Vater.«
»Sind sie echt?« fragte ich und dachte an Mr. Ishidas Handschriftenexperten.
»Sie sind in den Originalumschlägen, und alle sind in Texas abgestempelt, über einen Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren. Es wäre, glaube ich, ziemlich schwer, so etwas zu fälschen. Das waren die Wertsachen, die Setsuko in ihrem Safe hatte.«
»Er wußte von ihrem Vater?«
»Sicher. Das gehörte zu den Dingen, die sie als Heiratskandidatin attraktiv gemacht haben.« Er lächelte trocken. »Soviel zu meiner chauvinistischen Theorie, daß Schönheit ihr einziges Kapital war.«
»Woher wußte Mr. Nakamura, daß wir an den Briefen interessiert sein würden?« Mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, ihn als Verbündeten zu haben.
»Jemand aus der Firma war so eine Art Doppelagent …«
»Hikari. Sie war seine Geliebte«, sagte ich.
»Das wußtest du?«
»Erinnerst du dich an den schwarzen Body? Ich habe den Geruch von Hikaris Deo wiedererkannt. Dir ist das offenbar nicht aufgefallen.«
»So nahe bin ich ihr nie gekommen.« Er sah mich bewundernd an, bevor er weitersprach. »Nakamuras Gangsterfreund Mr. Fukujima wußte von der Sache mit Hikari und hat auch gelegentlich darüber geplaudert. Der Klatsch hat schließlich seinen Weg zu Keiko gefunden, die sofort begriff, daß Setsuko damit endlich die Grundlage für
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