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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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versuchte auf höchst unorthodoxe Art, mir zu helfen. Ich war gerührt und wollte ihm danken, aber er winkte ab.
    »Wir müssen in der Sprachabteilung trotzdem etwas ändern. Da Sie so lange hier waren, können Sie mir vielleicht einen Rat geben, wie … wie ich Mr. Randall am besten von Osaka überzeugen kann?«
     
    Ich wollte nur nach Hause und meinen müden Körper unter Decken begraben, aber ich konnte meinen Termin bei Ishida Antiques nicht platzen lassen. Als ich den Laden betrat, hängte Mr. Ishida das GESCHLOSSEN-Schild an die Tür und ging nach hinten in eine winzige Küche, um den Wasserkessel zu füllen. »Wo waren Sie denn gestern? Ich habe ein paarmal angerufen«, beschwerte ich mich, als er wiederkam, um seinen Abakus und die Quittungen von dem niedrigen kotatsu-Tisch wegzunehmen und für den Tee zu decken.
    »Ich habe mich noch einmal mit meinem Freund vom Tokio-Nationalmuseum getroffen. Honda-san ist ein Mann mit vielen Verpflichtungen, deshalb muß ich zu ihm gehen, wenn er Zeit für mich hat.« Mr. Ishida stellte eine dunkelrote Kutani-Teekanne auf den Tisch, Schalen und ein kleines Sieb. Es waren sehr schöne Stücke; ich wunderte mich, daß er sie im Alltag gebrauchte.
    »Und?«
    »Geduld, Miss Shimura.« Er ging in die Küche, um den pfeifenden Kessel vom Herd zu nehmen. Ich sah mir währenddessen das Porzellan an und drehte es um, um die Stempel auf der Unterseite betrachten zu können.
    Als er herauskam, goß er mir die erste Tasse ein.
    »Bitte, versuchen Sie.«
    »Itadakimasu.« Ich sprach das Tischgebet, bevor ich die dampfende, hellgrüne Flüssigkeit probierte. »Ein bißchen nach Gras schmeckt es. Frisch.«
    Er schien sich zu freuen. »Das ist gyokuro, grüner Tee der höchsten Qualität. Er kommt von einer Plantage in Shizuoka, die es bereits seit acht Generationen gibt. Ich habe ihn genau eine Minute lang ziehen lassen.«
    Ich nahm noch einen Schluck und schwieg. Vielleicht veranlaßte ihn meine traurige Berühmtheit zu dem merkwürdigen Verhalten; womöglich wollte er herausfinden, ob ich immer noch der Mensch war, den er gekannt hatte.
    »Ich habe etwas getan, über das Sie sich vielleicht nicht freuen werden«, sagte er, als wir unsere zweite Tasse tranken. Ob ihn die Presse kontaktiert hatte? Bestimmt hatte er für mich eintreten wollen, und es war schiefgelaufen.
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Alle reden, meine Kollegen, meine alten Freunde …«
    »Reden?« Er wirkte verwirrt.
    »Mit den Reportern der Boulevardzeitungen.«
    »Boulevardzeitungen?« Er blickte so verdrießlich drein wie damals, als uns jemand bei einem Schreinflohmarkt Reproduktionen von Holzdrucken verkaufen wollte. »Seit fünf Jahren lese ich nur noch Kunstmagazine. Gibt es neue Schwierigkeiten?«
    »Ja. Aber nichts, was unsere Freundschaft betrifft«, sagte ich vorsichtig. »Bitte sagen Sie mir, worüber ich mich unter Umständen ärgern könnte.«
    »Es geht um Ihr Kästchen aus Shiroyama.«
    Ich seufzte. Es war also doch eine Fälschung.
    Mr. Ishida fuhr fort. »Obwohl mir das Kästchen nicht gehört, habe ich veranlaßt, daß es verkauft wird. Ich konnte Sie nicht erreichen und um Erlaubnis fragen, deshalb noch einmal meine Entschuldigung.«
    »Erzählen Sie.« Ich beugte mich vor und stützte beide Ellbogen auf den Teetisch. Ich zog sie sofort wieder zurück, als mir mein Lapsus bewußt wurde. Nur Geduld.
    »Der Käufer ist das Zentrum für Volkskunst in Shiroyama. Mein Freund im Nationalmuseum hat eine Großaufnahme des Kästchens und sein Gutachten hingeschickt, und daraufhin haben sie ein Gebot abgegeben. So einfach ist das.«
    »Ihr Freund hat bestätigt, daß es von Prinzessin Miyo ist?«
    »Allerdings. Prinzessin Miyo war eine merkwürdige junge Dame, neh?« Mr. Ishida lächelte. »Eine ihrer Merkwürdigkeiten war, daß sie mit der linken Hand gegessen und geschrieben hat. Mein Kollege glaubt, die Schnitzerei wurde Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von einem Linkshänder gemacht.«
    »Reicht das denn, um etwas zu identifizieren? Bestimmt …«
    Mr. Ishida hob eine Hand hoch und lächelte wieder. »Selbst heute noch müssen die meisten Linkshänder die rechte Hand benutzen. Das wissen Sie.«
    Mein Vater hatte sehr darunter gelitten. Eine halbe Welt entfernt von seiner anständigen Erziehung in Yokohama fühlte er sich endlich frei genug, um mit der linken Hand zu schreiben. Trotzdem würde es ihm nicht im Traum einfallen, die Eßstäbchen in die linke Hand zu nehmen.
    »Wie Sie schon ganz

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