Die Tote im Badehaus
richtig erkannt haben, war das Kästchen selbst nicht von besonderer Qualität. Es stammt aus der Werkstatt von Koichi Hashimoto in Hakone und wurde zwischen 1850 und 1860 hergestellt. Damals konnte man es für ein paar sen kaufen. Mein Freund glaubt, daß Prinzessin Miyo das Kästchen wahrscheinlich von einem Verwandten oder Freund der Familie geschenkt bekommen hat, von jemandem, der auf der Tokaido-Straße unterwegs war und in Hakone haltgemacht hat.«
Wie seltsam das Geschäft mit den Antiquitäten doch war! Da hatte ich mich jahrelang bemüht, die beste Qualität zu kaufen, die ich mir leisten konnte; jetzt hatte ich Trödel aus dem neunzehnten Jahrhundert erstanden, der plötzlich wichtig war. Sehr wichtig sogar für den kleinen Ort, wo er herkam.
»Ich rate Ihnen deshalb, das Kästchen zu verkaufen, weil es von begrenztem Interesse ist und keine Wertsteigerung mehr erfährt«, erklärte mir Mr. Ishida. »Aber für das Zentrum der Volkskunst in Shiroyama ist es sehr bedeutend.«
»Ich würde es gerne stiften, da ich ja kaum etwas dafür bezahlt und es aus der Stadt mitgenommen habe, in die es gehört«, schlug ich vor.
Mr. Ishida schüttelte den Kopf. »Damit sich Ihr Ruf als Antiquitätenhändlerin gleich in Rauch auflöst? Das lasse ich nicht zu.«
»Aber ich bin doch gar keine Händlerin«, entgegnete ich, obwohl ich doch bereits an das Geld dachte.
»Miss Shimura, ich bestehe auf Bezahlung. Ich habe alles arrangiert, und es wäre ein absoluter Gesichtsverlust, wenn Sie diese Vereinbarung für ungültig erklären würden.«
»Darf ich fragen, wieviel sie dafür bezahlen wollen?« Meine direkte Frage stand im Raum. Ich schämte mich.
»Eins Komma zwei Millionen Yen. Zuerst wollten sie nicht mehr als eine Million ausgeben, aber dann haben sie ihre Meinung doch geändert. Deshalb wäre es sehr peinlich für mich, wenn Sie ablehnen würden.«
Ich ließ ihn die Zahl wiederholen, um sicher zu sein, daß ich ihn wirklich richtig verstanden hatte. Er sprach von zehntausend Dollar für ein Kästchen, das mich fünfzig Dollar gekostet hatte, den durchschnittlichen Preis für einen Rei-styru- Haarschnitt .
»Das können die sich leisten?« Es wunderte mich, denn die Galerie war recht klein.
»Das Zentrum wird von Nachkommen der Familie Shiroyama unterstützt, die ein beträchtliches Vermögen haben. Die Verwalter wissen, daß die Summe, die sie Ihnen zahlen, bald wieder über den erhöhten Zulauf hereingeholt ist. Sie haben vor, das Kästchen in den Mittelpunkt einer neuen Werbekampagne zu stellen, mit Artikeln und Anzeigen in der örtlichen und der nationalen Presse und einer Suche nach der Familie, der der Schatz einmal gehört hat, den Sie entdeckt haben.«
»Die Leute werden endlich erfahren, daß Prinzessin Miyo geflohen ist. Vielleicht sogar, was aus ihr geworden ist.« Da bestand eine seltsame Ähnlichkeit zu meiner Suche nach Setsuko.
»Das ist mein Vertragsentwurf. Wenn Sie möchten, können Sie ihn auch einem Rechtsanwalt zeigen.« Mr. Ishida streckte mir einen Stapel Papier entgegen.
Ich schüttelte den Kopf. Hugh würde daraus sowieso nicht schlau werden, und Mr. Ota hatte Wichtigeres zu tun. Ich wußte auch, daß das ein astronomischer Preis war für eine billige Schachtel aus Kiefernholz, die nicht einmal hundertfünfzig Jahre alt war.
»Wenn Sie mir das Wort für Wort übersetzen, unterschreibe ich gleich.«
Mr. Ishida fing an, und die Freude in seiner Stimme war deutlich zu hören, während er den trockenen Text vorlas. Es beeilte sich nicht einmal, als ein Kunde an die Tür klopfte.
Als ich einen Kugelschreiber herauszog, um den Vertrag zu unterschreiben, schüttelte er den Kopf.
»Haben Sie keinen hanko?« Er sprach von meinem persönlichen Namensstempel. Ein hanko wurde für sicherer gehalten als eine Unterschrift von Hand; diese Tradition war schon Hunderte von Jahren alt.
»Natürlich.« Ich suchte in meiner Tasche und fand das schlanke Klötzchen mit der Gummikappe, in die mein Name geschnitzt war. Mein Vater hatte ihn mir als Glücksbringer für mein neues Leben in Japan geschenkt.
»Ehrgeiz. Ein vielversprechendes kanji, um den Anfang einer neuen Karriere zu feiern«, sagte Mr. Ishida, als er das erste Zeichen meines Nachnamens betrachtete.
Ich wurde rot und meinte nur: »Okage samade« ; Ihretwegen, die rituelle Art, anderen für den eigenen Erfolg zu danken. Ich war wie eine Verrückte durch die Gegend gerannt, während Mr. Ishida und Taro Ikeda ihre Zeit damit
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