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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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Mein Retter und jemand hinter ihm zogen mich aufwärts. Mit der linken Hand erreichte ich das Geländer, und starke Hände griffen unter meine Arme und zerrten mich hinüber.
    Ich war gerettet. Hyperventilierend lag ich auf der Stahlbrücke.
    »Sumimasen deshita. Sumimasen.« Zwischen meinen stoßweisen Atemzügen wimmerte ich Entschuldigungen. Ich wußte, es war lächerlich, aber ich konnte nicht aufhören. Vielleicht war ich hysterisch.
    »Der Kerl war wahrscheinlich b ō s ō zoku«, zischte mein Retter. »Diese verdammten Motorradbanden!«
    »Haben Sie sein Nummernschild gesehen?« keuchte ich.
    »Er hatte kein Nummernschild!« Der Mann beugte sich zu mir herab und flüsterte so nahe an meinem Gesicht, daß ich seine Sakefahne roch. »Versuchen Sie nicht, es herauszufinden. B ō s ō zoku sind Freunde der ya-san.«
    Zwei Polizisten kamen auf uns zugelaufen, und ihre Schritte ließen die Brücke unter meinem Rücken federn. Ich richtete mich mühsam auf, und mein zotteliger Freund verschwand zwischen den Pendlern. Als die Polizisten ihre Notizbücher hervorholten, erzählte ich ihnen stockend und mit zittriger Stimme von dem Phantomfahrer.
    Der Ranghöhere unterbrach mich. »Ihre Aufenthaltserlaubnis, bitte?«
    Ich hätte wissen müssen, daß das ihr größtes Problem war. Ich deutete auf meinen Rucksack, der neben meinen Schuhen unten auf den Gleisen lag. Dort konnten sie sich den Ausweis holen.
     
    Schmutzig und verspätet kam ich bei Nichiyu an, aber ich ging direkt ins Büro der Sprachabteilung und knallte einen Umschlag auf Mr. Katohs Schreibtisch. Seine Sekretärin, Mrs. Bun, ließ mich nicht aus den Augen, und ich überlegte, ob sie wohl Erkundigungen einziehen würde. Fünfzehn Minuten später sah ich sie mit dem Personalchef flüstern und wußte, daß meine Vermutung richtig gewesen war.
    Im Waschraum säuberte ich mich, aber ich war immer noch völlig verstört, als ich meinen Mittagskurs unterrichtete. Alles war anders. Mein Unterrichtsstil war formell geworden, und ich hielt mich an alle Vorschriften. Es war Ironie des Schicksals: ausgerechnet jetzt, da die lesende Bevölkerung Japans enge Bekanntschaft mit mir schloß, hielt ich die Menschen, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeitete, auf Distanz. Am Ende des Unterrichts verneigten sich ein paar Schüler und sagten sayonara, statt des üblicheren: »Bis nächste Woche«. Vielleicht spürten auch sie, daß etwas vorbei war.
    Mr. Katoh rief mich in das Konferenzzimmer. Er redete über das schlechte Wetter und machte ein paar abschätzige Bemerkungen über das Verhalten der Presse in letzter Zeit. Schließlich sah er mich an und sagte: »Sie wollen uns also verlassen.«
    »Ich sehe mich dazu gezwungen.« Ich betrachtete die Wand mit den gerahmten Plakaten von Nichiyus berühmtesten Produkten. Die Kaffeemaschine mit integrierter Kaffeemühle. Der komplizierte Wasserkocher. Die Anbringung des »Caffe-ratte« -Plakats an der Wand würde ich wohl nicht mehr erleben.
    »Sie haben geschrieben, Sie möchten der Firma Schande und Demütigung ersparen. Ich fühle mich persönlich verantwortlich für diese Schwierigkeiten.« Mr. Katoh senkte den Kopf. »Ich war es schließlich, der Ihnen vorgeschlagen hat, im Urlaub nach Shiroyama zu fahren.«
    »Dafür können Sie doch nichts …«
    »Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich so hineinziehen lassen mußten. Es waren doch noch andere Gäste dort, aber deren Namen sehe ich nicht mehr in den Zeitungen. Nur Ihren und den des Engländers.«
    »Er ist Schotte, kein Engländer.« Ich merkte, daß ich vom eigentlichen Zweck des Gesprächs, meiner Kündigung nämlich, abkam. »Mr. Katoh, es war eine große Freude, hier zu arbeiten, aber mit meinen Schülern komme ich nicht mehr voran. Wie ich in meinem Brief bereits geschrieben habe, lenkt sie das Geschehen um mich herum zu sehr ab.«
    »Wann möchten Sie gehen?« Seine Stimme klang traurig.
    »Ich muß nächsten Montag zur Polizei in Shiroyama.«
    »Oh, nein, Miss Shimura. Haben Sie einen Anwalt?«
    »Ja«, log ich.
    »Vielleicht wird ja noch alles gut.« Er klang alles andere als hoffnungsvoll.
    »Ich bedaure sehr, wie sich alles entwickelt hat«, sagte ich.
    »Bitte rufen Sie mich an, wenn die Befragung vorüber ist. Vielleicht kann ich eine Teilzeitstelle für Sie finden. Sie haben einen so schönen Kommentar für das Caffe-ratte-Video aufgenommen. Von unseren Händlern in Übersee weiß sicher keiner von Ihren Problemen hier.«
    Mein brüsker, väterlicher Chef

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