Die Tote im Badehaus
nach Hause wollte.
»Die glorreiche Realität der Klatschspalte hat Sie eingeholt, nicht wahr?« neckte er mich. »Jetzt verstehen Sie, weshalb ich ein ruhiges Leben führe und mich nur meiner Arbeit widme.«
»Das stimmt doch gar nicht! Sie sind mindestens jede zweite Ausgabe im Weekender. Heute abend sind wir zwei Dutzend Mal fotografiert worden.«
»Nicht wir. Sie«, korrigierte er mich.
»Normalerweise sehe ich nicht so aus …«
»Von jetzt an sollten Sie das aber«, sagte Joe. »Während Sie getanzt haben, habe ich schon einmal Ihr Antiquitätenprojekt angekündigt. Ich habe die Leute ein wenig mit dem Kästchen gekitzelt, das Sie an das Museum verkauft haben. Das Ergebnis ist, daß ich jetzt fünf Frauen habe, die so bald wie möglich einen Termin bei Ihnen wollen.«
»Das ist großartig.« Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. »Joe, wenn ich jetzt gehe, kann ich mir eine Strategie für die Evans-Brüder überlegen. Ich muß sie morgen ganz früh anrufen.«
»Sie sind ein hoffnungsloser Fall.« Joe brachte mir meinen Mantel, begleitete mich nach draußen zu einem Taxi und gab mir vor einem ganzen Bataillon japanischer Presseleute einen Gutenachtkuß. Der Taxifahrer war absolut begeistert, bis wir losfuhren und ich sagte, er solle mich an der nahe gelegenen Station Kamiyacho aussteigen lassen. Für eine Frau in einem Hervé-Léger-Kleid war das wohl etwas schäbig. Trotzdem, der Verkauf des Kästchens war ein Glücksfall gewesen. Es konnte lange dauern, bis ich wieder zu Geld kam. In der Zwischenzeit mußte ich haushalten.
Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, die Leute, die mit mir an der Station Minami-Senju ausstiegen, genauer zu betrachten. Ein paar buntgemischte Gruppen von Betrunkenen verließen die Bahn. Ich knöpfte meinen dünnen Ledermantel zu und folgte ihnen in sicherem Abstand über die stählerne Fußgängerbrücke Richtung Heimat. Ich winkte Mr. Waka durch das Ladenfenster zu, ging aber nicht hinein. Meine Füße taten höllisch weh. Ich wollte nur noch nach Hause und sie ins Waschbecken stecken.
Die Straße war menschenleer, nur von irgendwo weit oben tröpfelte es. Meine Schritte in den ungewöhnlich hohen Schuhen und die Tropfen ergaben zusammen ein rhythmisches Trommeln. Nach ein paar Minuten merkte ich, daß ein leiseres, abgehacktes Geräusch diesen Rhythmus störte. Ich blieb stehen und tat so, als würde ich mir das Schaufenster des geschlossenen Fischgeschäftes ansehen, und es verstummte.
Ich ging wieder los und bereute es, daß ich nicht mit dem Taxi nach Hause gefahren war. Wenn ich zu Mr. Wakas Laden zurückwollte, würde ich meinem Verfolger direkt in die Arme laufen. Wo ist Kenji Yamamoto heute abend? überlegte ich. Wo sind Keikos yakuza- Freunde ?
Ich zog Karens Schuhe aus und nahm sie in die Hand, damit ich schneller laufen konnte. Die Straße war eiskalt und rauh an den Füßen, und es gab ekelhafte nasse Stellen, die meine Strumpfhose durchweichten. Als die Schritte hinter mir schneller wurden, drehte ich mich rasch um und sah eine Gestalt in den Eingang der Gasgesellschaft springen. Er war kleiner als Joe Roncolotta und Yamamoto, aber vielleicht war es der Mann, der versucht hatte, mich mit dem Motorrad zu überfahren.
»Yamete«, rief ich. Lassen Sie das. Niemand antwortete. Ich rannte los. In weniger als zwanzig Metern Entfernung leuchtete meine Wohnung wie ein Signalfeuer vor mir. Ich erreichte das Haus und nahm zwei Stufen auf einmal. Ich fluchte, weil es an der Außentür kein Schloß gab. Mein Verfolger konnte hinter mir die Treppe hinaufrennen, wenn er wollte.
Als ich den Schlüssel im Türschloß drehte und hineinfiel, zitterte ich so stark, daß Richard sich von seiner Tintenfisch-Mais-Pizza mit Mariko erhob und mir die Hand auf die Stirn legte.
»Was ist los? Bist du krank? Armes Baby …«
»Nein, es ist der Typ mit dem Motorrad am Bahnhof. Er hat mich wieder verfolgt«, sagte ich, als ich zum Telefon rannte und 110 wählte. Ein englischsprechender Beamter schaltete sich ein, während ich noch mit dem Polizisten sprach, der den Anruf entgegengenommen hatte.
»Verzeihen Sie, Miss, aber wie lange werden Sie in Japan bleiben?«
»Ich bin keine Touristin, ich lebe hier!« Ich nannte ihm noch einmal meinen Namen und meine Adresse. Als ihnen klar wurde, daß ich das Friday - Mädchen war, das schon einmal in einen Unfall an der Station Minami-Senju verwickelt war, fragte der englischsprechende Beamte, ob Hugh Glendinning bei mir sei. Ich
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