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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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verwandt ist. Irgendwie hat das nicht zusammengepaßt.« Er warf Joe einen Blick zu. »Wir haben darüber gesprochen, und er hat gesagt, das Sie echt sind.«
    »Ich bin nicht die Enkeltochter«, widersprach ich schnell.
    »Nein, aber Sie sind ehrlich. Sie sorgen in Tokio allein für sich, ohne irgendwelche Unterstützung. Sie stellen Fragen, weil sie in diesen Kerl verliebt sind, diesen Engländer, der in solchen Schwierigkeiten steckt.«
    Mrs. Chapman mußte Joe gegenüber maßlos übertrieben haben, der wiederum die Gerüchteküche anheizte. Ich schüttelte den Kopf. »Es muß einen Zusammenhang zwischen dem amerikanischen Vater und Setsukos Tod geben. Ich glaube, er hat vor etwa sechs Monaten aufgehört, ihr Geld zu schicken.«
    »Vor fünf Monaten ist ein gewisser Willie Evans gestorben. Wir haben eine Kopie des Nachrufs für unser Album im Alten Seebär«, erzählte O’Donnell. »Ein ziemlich trauriges Hobby, das wir da haben – den Toten auf der Spur bleiben.«
    »Haben Sie Mr. Evans gut gekannt?« fragte ich.
    »Überhaupt nicht. Damals waren so viele Matrosen hier, dreimal so viele wie heute. Ich kannte die meisten Mädchen, die in den Bars gearbeitet haben, und es tat mir immer leid, wenn sie von den großen Läden vertrieben wurden. Irgendwie habe ich mich ihnen genauso verbunden gefühlt wie meinen eigenen Leuten.«
    Ich wußte, was Jimmy O’Donnell damit meinte. Er war ebenso in Japan verliebt wie Joe und ich. Schweigend saßen wir eine Minute lang da, als würden wir diese Tatsache würdigen.
    »Anfang der fünfziger Jahre hatte er eine Freundin hier, die in den Bars gearbeitet hat. Sie hatte schon ein Kind, aber das war ihm egal. Sie haben zusammen in einem Haus gelebt, als wären sie verheiratet. Dann kam auch ein Baby. Evans’ Name tauchte auf keiner Geburtsurkunde auf, weil er nicht wollte, daß sein befehlshabender Offizier davon erfuhr.«
    »Typisch.« Joe nickte. »Und wann hat er sie dann verlassen?«
    »Die Zeit seiner Versetzung nach Japan war zu Ende, und da ist er wieder in die Staaten zurückgekehrt. Bei einem Kirchenpicknick hat er dann ein Mädchen kennengelernt. Sie waren dreiunddreißig Jahre zusammen, als sie starb, an Brustkrebs, glaube ich.«
    »Wußte die amerikanische Ehefrau von seiner ersten Liebe in Japan?« fragte ich.
    »Ich habe keine Ahnung. Die beiden Söhne können Ihnen vielleicht weiterhelfen. Sie wohnen noch in der Gegend von Boston.« Er reichte mir die schlechte Fotokopie einer Todesanzeige im Boston Globe. Ich überflog sie rasch. Kein Hinweis auf Texas – offenbar hatte Willie Evans sein gesamtes Leben vor und nach Japan in Framingham, Massachusetts, verbracht.
    »Sie sollten dort anrufen, Rei«, meinte Joe, als hätte er meine stille Frage gehört. »Sie müssen sich von ihnen Daten und andere Orte bestätigen lassen. Es besteht kein Grund, voreilige Schlußfolgerungen zu ziehen, aber man sollte eher früher als später handeln.«
    »Sie haben recht.« Ich steckte das Blatt in meine Handtasche, wo ich den Umschlag sah, den ich Hugh nicht zurückgegeben hatte. »Ich habe hier einen Brief des Vaters …«
    Joe stürzte sich beinahe auf mich und ruinierte so meine Hoffnung, die Fingerabdrücke zu erhalten. »Zeigen Sie her.« Er sah O’Donnell an. »Das ist ein Poststempel aus Texas. Nicht aus Boston.«
    »Vielleicht hat er sich ja im Alter in den Westen zurückgezogen … das tun viele, wegen des Wetters«, sagte James O’Donnell müde. »Ich kann mich ja mal bei Leuten aus Texas umtun. Ich sollte jetzt gehen.«
    »Nein, du bleibst noch auf einen Drink und verbringst die Nacht mit mir in Aoyama«, schlug Joe vor. »Wenn wir die junge Dame abgesetzt haben, ziehen wir noch um die Häuser, so wie früher.«
     
    Als wir wieder den Ballsaal betraten, beschäftigte sich Jimmy O’Donnell ausgiebig mit den hors d’œu vre, und Joe führte mich auf die Tanzfläche. Ich hatte etwas Schwierigkeiten mit den hohen Blahnik-Schuhen und weil ich noch nie Standard getanzt hatte. Von Joe wurde ich in die Arme eines kleinen, dunklen Mannes gewirbelt, der mir erzählte, daß er in Princetown studiert hatte. Danach kam ein hagerer junger Japaner, dessen Namen ich mit einem Tütensuppenimperium verband. Mein letzter Partner war dann Molly Masons Ehemann Jim, der mir versicherte, er hätte mich nicht mit Rie Miyazawa verwechselt, und der wissen wollte, was ich von einem Lunch im Imperial Hotel am nächsten Dienstag hielte …
    Ich entschuldigte mich, um Joe zu sagen, daß ich

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