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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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Japan vor Gericht gestellt werden, werden verurteilt. Wußtest du das?« fragte mein Vater.
    »Ja, Dad.« Als hätte ich das nicht schon ein dutzendmal gehört.
    »Hugh ist Anwalt, kein Mörder«, warf meine Mutter ein. Normalerweise hätte ich so einer Verallgemeinerung widersprochen, aber ich hielt den Mund.
    Mein Vater schwieg. Ich stellte mir vor, wie er auf der Kante seines Walnußschreibtisches saß, den Hörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, und den Steingarten betrachtete, den meine Mutter und ich zusammen angelegt hatten. Er konnte stundenlang über den Schotterspiralen und den kleinen, moosbedeckten Felsbrocken sinnieren. Von draußen war mir der Garten lieber, mit der frischen Luft und den Vögeln in den Bäumen. Ich erinnerte mich, daß ich dort vor langer Zeit einen Nachmittag verbracht und überlegt hatte, ob ich es wagen sollte, ohne einen Job nach Japan zu gehen. Der Garten hatte ja gesagt.
    »Dad, siehst du gerade auf den Garten hinaus?« fragte ich ihn.
    »Ja.« Er klang etwas überrascht.
    »Er ist etwas Besonderes, weil die Steine und Pflanzen alle einem Plan folgen. Hier, bei dem, was Setsuko passiert ist, gibt es auch ein Muster. Und ich habe alles in meinem Kopf, alles, bis auf die letzten fehlenden Teile.«
    »Was können wir für dich tun, Rei? Sollen wir kommen?« drängte meine Mutter.
    »Dort, wo ihr seid, könnt ihr mir am besten helfen.« Als ich sagte, daß jemand die Auskunft in Boston und Texas anrufen müßte, war es mein Vater, der nach den Vornamen der Evans-Brüder fragte. Mein Vater, mein Held.
     
    Nachdem ich aufgelegt hatte, kamen Richard und Mariko herein. Sie wollten Pfannkuchen machen. So wie Richard Hughs Hemd beäugte, wurde mir klar, daß er vorgehabt hatte, es selbst anzuziehen. Mariko trug lange Unterhosen von Richard und ihr Ranma-Sweatshirt. Als sie mit dem Wender am Ofen stand, sah sie aus, als würde sie dorthin gehören.
    Ihre Pfannkuchen waren gleichmäßig golden, locker und alle ungefähr so groß wie eine 500-Yen-Münze.
    »Mariko ist eine Perfektionistin«, sagte Richard und sah ihr zu, wie sie auf jeden Pfannkuchen ein viereckiges Butterstück gab. Ich wollte Ahornsirup holen, aber sie hatte etwas anderes geplant: Erdbeermarmelade.
    »Du wunderst dich wahrscheinlich, daß ich wieder bei Richard wohne.« Mariko beobachtete, wie ich in einen der winzigen Pfannkuchen schnitt.
    »Hier ist es besser für dich als im Marimba, nicht wahr?«
    »Ja. Obwohl das eine fürchterliche Gegend ist.« Sie blickte Richard verstohlen an. »Wir sind wieder Freunde. Ich mag ihn: Am Anfang war es nur sein Aussehen. Jetzt kenne ich sein Herz, und er ist der einzige Mann, der mehr will als meinen Körper.«
    »Wollt ihr hier zusammen wohnen bleiben?« fragte ich vorsichtig.
    »Na ja, also ich werde wohl ausziehen.« Richard fuhr sich durch die Haare, so daß sie gerade nach oben standen. »Simone hat gute Chancen, eine Wohnung in Shibuya zu bekommen, und sie meint, wir könnten sie uns zusammen leisten.«
    »Shibuya ist ganz schön nobel.« Ich war neidisch, und außerdem litt ich unter der Vorstellung, nicht mehr seine beste Freundin zu sein.
    »Es ist nur ein Wohn- und ein Schlafzimmer, aber ich habe gesagt, ich nehme das Wohnzimmer.« Richard zuckte die Schultern. »Es ist so ähnlich wie hier, aber für mich wäre es tausend Mal besser, weil ich dann nach vorne raus wohnen würde.«
    »Ganz schön blöd, aus so einer billigen Wohnung in Tokio auszuziehen!« rief Mariko, die gerade noch über dieses Viertel gemeckert hatte.
    »Ich verdiene mehr Geld, wenn ich von Nichiyu weggehe!«
    »Du hast einen neuen Job?« Das konnte ich gar nicht glauben. Er hatte mich wirklich aus seinem Leben ausgeschlossen.
    »Hugh und ich haben uns im Marimba ein bißchen unterhalten, und da hat er mir von einem französischen Geschäftsmann erzählt, der hier eine neue Sprachenschule aufmachen will. Es soll eine teure Schule werden, für Leute, die nach Europa gehen. Ich mache Englisch, und Simone unterrichtet Französisch. Sie hatte es sowieso satt, im Ueno-Park die Armreifen zu verkaufen.«
    »Und wo soll ich dann wohnen?« fragte Mariko.
    »Hat deine Bank denn kein Wohnheim?« Richard klang etwas nervös.
    »Nur für Vollzeitbeschäftigte. Ich versuche ja schon dauernd, einen Fulltimejob zu kriegen, aber …« Mariko sah aus, als würde sie gleich weinen.
    »Du findest dieses Viertel zwar langweilig, aber es gibt keinen Grund, weshalb du nicht noch ein bißchen bei uns wohnen könntest.

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