Die Tote im Badehaus
sagte ich zurückhaltend.
»Erzählen Sie es mir, und ich beurteile es selbst.«
»Rei ist Expertin für Antiquitäten und völlig überqualifiziert für ihre jetzige Beschäftigung«, mischte Mrs. Chapman sich ein.
Mittlerweile ärgerte ich mich ziemlich, daß ich sie mitgenommen hatte. Monoton gab ich Joe eine fünfminütige Zusammenfassung: meinen Magister in Berkeley, der sich nicht ausgezahlt hatte, die katastrophalen Bewerbungsgespräche, die Alternative, als Hostess in einer Bar zu arbeiten oder als Sprachlehrerin bei Nichiyu.
»Es ist schwierig hier, wenn man keine Beziehungen hat«, sagte Joe, als ich fertig war. »Ich sage Ihnen, ich hätte mit meinem Geschäft nie Fuß gefaßt, wenn meine japanischen Partner nicht gewesen wären. Ich kenne jemanden im Vorstand des Nationalmuseums. Wenn ich ein gutes Wort für Sie einlegen soll …«
»Ich halte nichts von Gefälligkeiten.« Das klang gräßlich scheinheilig, aber Leute, die nur die Freunde ihrer Freunde einstellten, hatten verhindert, daß ich einen anständigen Job in Tokio fand. Ich wollte auf keinen Fall werden wie sie.
»Dann sind Sie aber nicht sehr japanisch.« Er lachte.
»Ich bin es zur Hälfte, und ich höre solche Bemerkungen nicht sehr gerne.«
»Wenn Seiho und ich das Glück gehabt hätten, eine Tochter zu bekommen, wie hätte sie wohl ausgesehen? Wie Sie vielleicht.«
Joes Blick ruhte länger auf mir, als mir lieb war, und Mrs. Chapman gähnte laut. Wahrscheinlich war es nicht sehr unterhaltsam, mit einem gutaussehenden Mann seines Alters essen zu gehen, der einen dann einer Jüngeren wegen vernachlässigte.
»Wir sollten gehen«, sagte ich und holte meine Geldbörse aus der Tasche.
»Ich lade Sie ein.« Joe winkte dem Kellner, die Rechnung zu bringen. »Und selbst wenn Sie nichts von Gefälligkeiten halten, Rei, ich tue es. Weil Sie mir dann etwas für das Geld und die Zeit schulden, die ich in Sie investiert habe.«
»Oh!« Ich war entsetzt, besonders, nachdem er von mir wie von einer Tochter gesprochen hatte.
»Meine Liebe, ich möchte von Ihnen wissen, wo man am besten japanische Antiquitäten einkauft. Bemalte Wandschirme sind mehr oder weniger völlig verschwunden, für tansu zahlt man astronomische Preise, und wirklich schöne Stücke findet man gar nicht mehr.« Er sah so komisch verzweifelt aus, daß ich lachen mußte.
»Kennen Sie Heiwajima schon?«
»Diesen schrecklichen Markt im Ryūtsu Center?« Joe blickte gequält drein. »Es ist erbärmlich, mit anzusehen, wie die Ehefrauen meiner Freunde mit ihrem jämmerlichen Japanisch um einen Preisnachlaß feilschen. Am Ende schleppen sie dann Sachen nach Hause, die hier wahrscheinlich teurer sind als in Los Angeles. Ich bin seit vierzig Jahren hier, und langsam glaube ich, es hat keinen Sinn mehr, überhaupt noch etwas zu kaufen!«
»Sie müssen einfach nur klug kaufen«, belehrte ich ihn.
»Wie soll das gehen?«
»Drei Schritte«, sagte ich. »Zuerst müssen Sie einsehen, daß Sie nicht für alles Experte sein können. Sie müssen sich auf das konzentrieren, was Ihnen wirklich gefällt, ob das nun Möbel sind oder Blau-Weiß-Porzellan. Schritt zwei: Sie gehen in Museen und vergleichen das, was Sie dort sehen, mit den Auslagen der Schaufenster aller Antiquitätengeschäfte in der Stadt. Wenn Sie dann schließlich auf einen großen Markt wie Heiwajima gehen, nehmen sie von jedem Stand eine Visitenkarte mit und sehen sich die Adresse an. Die Händler, die von weit her kommen, geben eher einen Rabatt auf ihre Antiquitäten, als sie wieder mit nach Hause zu nehmen.«
»Wann ist dieser Markt?« fragte Mrs. Chapman.
»Erst wieder im Frühjahr, aber ich kann Ihnen etwas schicken, wenn Sie möchten. Ich kann mir nicht mehr als alte Stoffe und Porzellan leisten, aber meine eigentliche Liebe gilt Holzmöbeln aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ich habe erst ein großes Stück gekauft. Für meine Eltern.«
»Wie das? Wohnen die nicht in Kalifornien?« fragte Joe.
Ich erzählte ihm die Geschichte, wie meine Mutter mich gebeten hatte, ihr eine tansu-Kommode zu suchen, die in einem Kunstkatalog abgebildet sein könnte. Die Kommode mußte aus Zelkovenholz mit Eisenbeschlägen sein, eine spezielle Lackierung haben und möglichst alt, aber nicht klapprig sein. Drei Wochenenden lang kämmte ich Läden und Flohmärkte durch, bis ich ein wunderschönes Stück zu einem vernünftigen Preis fand. Eine Lehrerin, die in die Staaten zurückkehrte, nahm es für dreihundert Dollar mit ihren
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