Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
Vom Netzwerk:
Mrs. Chapman blinzelte.
    »Far East Ventures macht jetzt aber keine Geschäfte mehr auf dem Schwarzmarkt?« Ich kehrte wieder zurück zum Thema.
    Joe schüttelte den Kopf. »Anfang der sechziger Jahre führten die Bemühungen der Amerikaner, die Wirtschaft wieder aufzubauen, endlich zum Ziel. Die Leute hatten feste Anstellungen und genügend Geld, um sich Dinge wie Waschmaschinen und Fernseher zu kaufen. Die amerikanischen Hersteller wollten hier verkaufen, hatten aber nicht die geringste Ahnung, wie Marketing und Vertrieb in Japan funktionierten. Das war mein Gebiet.«
    »Was machen Sie jetzt, wo niemand mehr amerikanische Fernseher kauft?« fragte ich.
    »Ich gehe den umgekehrten Weg und berate japanische Firmen über Marketingstrategien in den Staaten. Und ich vertreibe immer noch ausländische Waren, die man hier nicht nachmachen kann – Designerjeans, Prestigehandtaschen, solche Dinge.« Sein Lächeln zeugte von Wohlstand.
    »Hatte die, äh, die japanische Mafia«, es wäre unklug gewesen, das Wort yakuza in einem Raum voller wohlhabender Japaner auszusprechen, »nicht mit dem Schwarzmarkt zu tun?«
    »Sicher. Mein Partner hat das Schutzgeld bezahlt, damit wir im Geschäft bleiben konnten. Als wir dann mit großen Firmen zu tun hatten, war das organisierte Verbrechen kein Problem mehr für uns. Wir verhandeln jetzt in Sitzungszimmern und nicht mehr in heruntergekommenen Hostessenbars.«
    »In Hostessenbars! Waren Sie damals verheiratet? Was hat Ihre Frau davon gehalten?« Mrs. Chapman wirkte ein wenig entrüstet.
    »Sie war Japanerin, sie kannte die Gepflogenheiten.«
    »Was? Und jetzt?« fragte Mrs. Chapman.
    »Jetzt ist sie tot.« Er verzog keine Miene.
    »Das tut mir leid«, sagte ich. Es hörte sich immer mehr so an, als hätte er vielleicht eine Beziehung mit Setsukos Mutter gehabt, aber ich wußte nicht, wie ich dorthin gelangen sollte, wenn Mrs. Chapman mit ihrer romantischen Attacke fortfuhr.
    »So, und jetzt sagen Sie mir bitte, wie ich Ihnen helfen kann.« Joe lehnte sich zurück und sah uns beide an.
    »Es geht um eine Frau, die Sie womöglich gekannt haben. Sie hieß Harumi Ozawa.«
    »Dazu fällt mir nichts ein. Aber in meiner Rolodex-Kartei stehen ein paar hundert Namen; die kann ich mir nicht alle merken.«
    »Sie war Setsuko Nakamuras Mutter«, sagte ich und sah ihm ins Gesicht.
    »Ich muß sie gestern abend übersehen haben.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist schwierig, jeden zu entdecken, den man begrüßen sollte.«
    »Harumi lebt nicht mehr. Aber als junge Frau hat sie in der Nähe der Marinebasis in Yokosuka gearbeitet. Sie hatte eine Beziehung zu einem Matrosen, der Anfang der fünfziger Jahre dort stationiert war.«
    »Weshalb reden Sie mit mir darüber?«
    »Ich dachte, Sie können vielleicht Setsukos Vater sein.«
    In Joes scharfen blauen Augen sah ich etwas aufblitzen, und als er sprach, war sein jovialer Tonfall fast völlig verschwunden. »Der Name meiner Frau war Seiho Yamazaki. Wenn Sie alte Zeitungen von 1959 durchsehen, können Sie viel über sie nachlesen.«
    »In der Klatschspalte? Rei sagt, Sie seien hier eine Berühmtheit«, schwärmte Mrs. Chapman.
    »Nein, in den normalen Nachrichten. Ich habe sie getötet.«
    Mrs. Chapman schrie auf, und ich mußte mich beherrschen, nicht nach Luft zu schnappen.
    »Es ist während eines dieser fürchterlichen Stürme zur Taifunzeit passiert, bei denen man fast blind wird. Wir wollten nach Hause fahren. Ich habe die Straßenbahn nicht kommen sehen, und sie hat auf Seihos Seite unser Auto gerammt. Sie war schwanger. Das Baby habe ich auch umgebracht.«
    Der Kellner kam mit den Vorspeisen. Ich war froh über die Unterbrechung, die mir Gelegenheit gab, mir eine angemessene Antwort auszudenken. Am Ende fiel mir nur ein: »Ich finde, Sie sind sehr hart zu sich selbst.«
    »Es ging Ihnen nie darum, Reiskocher zu vertreiben, nicht wahr? Was kann ich wirklich für Sie tun, Rei?«
    Ich überlegte. »Wie schon gesagt, ich suche nach Informationen über Setsukos Eltern. Vielleicht kennen Sie Harumis Matrosen.«
    »Hören Sie, wenn Sie versuchen, einen Matrosen ausfindig zu machen, der ein Barmädchen geschwängert hat, da muß es Zehntausende gegeben haben, und nicht alle waren schlecht. Viele konnten es sich leisten, ihrem Mädchen ein kleines Haus einzurichten und nicht nur sie, sondern auch ihre Eltern und ihre Geschwister durchzufüttern. Wenn ein Mädchen klug war, dann hat sie sich einen neuen gesucht, wenn ihr Matrose zurückmußte.«

Weitere Kostenlose Bücher