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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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letzte Bild. Die Diana, schräg von hinten gesehen, wie sie beim Riddarholms-Kai, mit Stadshuset, dem Rathaus, im Hintergrund und zwei Taxis, die an der Gangway vorgefahren waren, vertäut lag.
    Offenbar war das Bild unmittelbar vor der Abreise aufgenommen worden, denn es befanden sich schon viele Leute an Bord. Achtern bei dem Steuerbord-Rettungsboot auf dem Shelter-Deck die Frau Major Jentsch aus Osnabrück. Gerade unterhalb von ihr stand Roseanna McGraw. Vornübergelehnt mit den Unterarmen auf der Reling und den Füßen weit auseinander. Trotz der Sonnenbrille war sie gut zu erkennen. Sie trug Sandalen und ein weißgelbes Trägerkleid. Martin Beck reckte sich so weit vor, wie er konnte, und versuchte sich die Nächststehenden genau anzusehen. Zugleich hörte er, wie Kollberg durch die Zähne pfiff.
    »Jaja, jaja«, fuhr der Oberst unberührt fort. »Das ist also das Schiff hier unten bei Riddarholmen, dort ist ja der Rathausturm. Und dort oben steht Hildegard Jentsch. Das war, bevor wir uns kennenlernten. Ach ja, das war lustig; dieses Mädchen hier saß auch ein paarmal an unserem Tisch. Eine Holländerin oder Engländerin, glaube ich. Man setzte sie dann wohl an einen anderen Tisch, so daß wir Old Boys etwas mehr Ellbogenfreiheit bekamen.«
    Ein kräftiger weißhaariger Zeigefinger, mächtig vergrößert unter dem Vergrößerungsglas, lag auf der Frau in Sandalen und dem gelben Kleid.
    Martin Beck holte schon Luft, um etwas zu sagen; aber Kollberg war schneller.
    »Wie meinen Sie?« fragte der Oberst. »Sicher?
    Natürlich bin ich sicher. Sie saß wenigstens vier-, fünfmal am selben Tisch mit uns. Immer sehr schweigsam, soweit ich mich erinnere.«
    »Aber…«
    »Ja, ja… Ihr Kollege zeigte uns ein paar Bilder, aber wissen Sie, an das Gesicht kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur an die Kleidung. Oder vielleicht besser gesagt, auch nicht gerade an die Kleidung.«
    Er drehte sich nach links und stieß Martin Beck seinen kräftigen Zeigefinger in den Brustkorb. Es schmerzte richtig.
    »Aber der Ausschnitt«, flüsterte er unmißverständlich. »Der Ausschnitt hatte es in sich.«

18
    Viertel nach elf, wieder im Dienstzimmer in Kristineberg. Der Wind hatte aufgefrischt, und Regenschauer klatschten gegen die Fensterscheiben.
    Die fünfzehn Fotos lagen vor Martin Beck ausgebreitet. Vierzehn hatte er beiseite geschoben und betrachtete nun zum vielleicht fünfzigstenmal Roseanna McGraw im Lichtkreis des Vergrößerungsglases. Sie sah aus, wie er sich’s die ganze Zeit vorgestellt hatte. Ihr Blick war nach oben gerichtet.
    Vermutlich gegen die Turmspitze der Riddarholms-Kirche. Sie wirkte frisch und entspannt und unbekümmert – und dabei hatte sie noch genau 36 Stunden zu leben. Links von ihr sah man einen Teil der Kabine Nr. A 7. Die Tür stand offen, aber das Bild ließ nicht erkennen, wie es drinnen aussah.
    »Bist du dir darüber klar, daß wir heute endlich mal Glück hatten?« sagte Kollberg. »Zum erstenmal während dieser ganzen verdammten Sache. Früher oder später hat man immer mal Glück. Aber diesmal hat es verflixt lange gedauert.«
    »Ein bißchen Pech auch.«
    »Du meinst, es war ärgerlich für sie, daß sie an einem Tisch mit zwei steinalten Landsknechten und drei halbblinden Weibern landete? Das ist kein Unglück, sondern nur die Folge des bekannten Gesetzes über die Unzulänglichkeit aller Dinge. Komm, gehen wir nach Haus und hauen uns in die Falle.
    Ich fahre dich. Oder nimmst du lieber die billige Tour?«
    »Erst noch ein Telegramm an Kafka. Den Brief schreiben wir morgen.«
    Eine halbe Stunde später saßen sie im Wagen.
    Kollberg fuhr schnell und unkonzentriert, es regnete immer noch in Strömen. Aber Martin Beck schien nicht zu reagieren, obwohl ihm bei Autofahrten normalerweise schlecht zumute wurde. Den ganzen Weg über schwiegen sie. Erst vor dem Haus in Bagarmossen schüttelte sich Kollberg und sagte:
    »Tja, nun wird man also im Bett liegen und die ganze Zeit an diese Sache denken. Tschüs.«
    Es war still und dunkel in der Wohnung, aber als Martin Beck am Zimmer seiner Tochter vorbeikam, hörte er gedämpfte Musik. Vermutlich hatte sie das Transistorgerät mit im Bett. Er selber hatte früher beim Schein der Taschenlampe Abenteuerromane unter der Decke gelesen.
    Auf dem Küchentisch stand Brot, Butter und Wurst. Er machte sich ein Brot und suchte im Kühlschrank nach Bier. Es war nichts da. Er verzehrte sein frugales Abendessen im Stehen und spülte es mit einem halben Glas Milch

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