Die Tote im Keller - Roman
lackierten Türen der Küchenschränke. An der Wand stand ein kleiner Küchentisch mit zwei Holzstühlen. Auf der Tischplatte lag ein grün-weiß kariertes Wachstuch. Über dem Tisch hing ein altes Plakat mit einer Nahrungspyramide für Vegetarier. Statt Rind, Schwein, Fisch und Geflügel standen ganz oben an der Spitze Bohnen, Keime und Hülsenfrüchte. Irene entdeckte darin viele von Jennys Ernährungsgewohnheiten wieder. Für Vegetarier war es wichtig, genügend Proteine zu sich zu nehmen.
In der Speisekammer standen Kartons mit getrockneten Bohnen
und Erbsen, Tüten mit unterschiedlichen Mehlsorten und – natürlich – mehrere Packungen von Dr. Kruskas Haferkleie. In einigen, ordentlich auf einem Brett aufgereihten Gläsern lag Dörrobst. Der Kühlschrank war mit Ausnahme eines geöffneten Tetrapaks Sojamilch und zwei Blecheimern unklaren Inhalts fast leer.
Sie gingen zurück in die Diele und von dort weiter ins Wohnzimmer. Es war überraschend großzügig geschnitten. Mit Panoramafenster und einer Glastür, die auf einen Balkon führte. Wenn die Sonne hereinschien, dann war dieses Wohnzimmer sicher hell und angenehm. Der einzige Gegenstand, der neu wirkte, war ein Fernseher. Darüber hing ein gerahmtes Poster: Sonnenuntergang über Gebirgsmassiv. Die Couchgarnitur, die Schrankwand und der Teppich hatten das Design der siebziger Jahre. Im Bücherregal standen ein paar Taschenbücher. Der Vitrinenschrank war mit einer imponierenden Anzahl Pokale gefüllt.
»Er war ein guter Orientierungs- und Langstreckenläufer. Diese Preise stammen sicher aus seiner Zeit beim Polizeisportverein«, meinte Irene und trat auf den Schrank zu.
Neben dem Schrank befand sich ein Lichtschalter. Als sie ihn betätigte, flammten ein paar Glühbirnen hinter den Glasscheiben auf. Die Pokale funkelten.
»Er hat sie poliert«, stellte Hannu fest.
Irene schaute sich um.
»Ja. Alles sauber und ordentlich«, meinte sie.
Hannu nickte und ging auf eine angelehnte Tür zu. Er stieß sie vorsichtig mit dem Fuß auf.
Auch das Schlafzimmer war geräumig. Die Schrankwand auf der einen, ein einzelnes, sauber gemachtes Bett mit einer hellblauen Tagesdecke aus Frottee auf der anderen Seite. Und davor ein relativ neuer, bunter Flickenteppich. Am Fußende des Bettes stand ein schmaler Schrank mit Glastüren und gläsernen Regalbrettern. Zu Irenes Erstaunen waren Spielzeugautos drin. Das kleinste war kaum größer als ein Stück Würfelzucker, das größte etwa dreißig Zentimeter lang. Es handelte sich ausschließlich
um Polizeiautos und zwar aus aller Welt. Das größte war ein blaues Modell aus den fünfziger Jahren mit Sheriffsternen auf den Türen.
Vor dem Fenster stand ein Schreibtisch mit einer Schreibtischlampe und einem zugeklappten Laptop. Neben dem Computer lag ein Buch mit dem Titel »Ahnenforschung für Anfänger«. Auf dem Tisch stand das gerahmte Foto eines etwa dreijährigen, blonden Jungen. Irene deutete darauf und sagte:
»Das muss sein Sohn sein. Sie sind sich recht ähnlich.«
Sie öffnete die Kleiderschränke. Alles hing ordentlich auf Bügeln. Im Wäscheschrank lagen sorgfältig zusammengelegt Bettwäsche und Handtücher.
»Er hat hier allein gewohnt. Nichts deutet auf eine zweite Person hin«, meinte Irene.
Hannu erwiderte nichts, sondern sah sich im Zimmer um. Sein Blick blieb am Bett hängen.
»Einsam«, meinte er schließlich.
Mit diesem Wort hatte er es getroffen. Die ganze Wohnung atmete Einsamkeit. Vielleicht trog der Eindruck ja auch. Kruska-Toto hatte vielleicht als Mitglied von Rentner- und Sportvereinen einen regen Umgang gepflegt. Irene versuchte sich zu erinnern, wie er als Kollege gewesen war. Sie hatte ihn nicht näher gekannt, aber natürlich gewusst, wer er war. Torleif hatte nie viel Aufhebens um seine Person gemacht. Er hatte sich leidenschaftlich für Sport interessiert und war im Polizeisportverein sehr aktiv gewesen. Und dann war da diese Sache mit seinen seltsamen Essgewohnheiten gewesen. Er hatte eher durchschnittlich ausgesehen und war bis zu seiner Pensionierung relativ fit gewesen. Wann war er eigentlich in Rente gegangen? Irene dachte nach und musste sich eingestehen, dass sie es nicht wusste. Vermutlich irgendwann vor ungefähr fünf bis sieben Jahren.
»Kanntest du ihn?«, fragte sie Hannu.
»Nein, nur vom Sehen. Ich habe nie mit ihm gesprochen.«
»Ich kannte ihn ein wenig. Er war im dritten Revier für den Innendienst verantwortlich, als ich das letzte Jahr dort arbeitete.
Er kam ins
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