Die Tote im Keller - Roman
Haufen zu rennen …«
Stridner unterbrach ihr Schimpfen, holte tief Luft und fuhr dann fort:
»Da ich ohnehin in einer Stunde am Hauptbahnhof in den Zug nach Stockholm steige, kann ich hier gleich den ersten Bericht über das Mordopfer abgeben. Mein Kollege, Dozent Amirez, wird das Mädchen morgen Nachmittag obduzieren. Ich habe bislang erst eine Okularinspektion vorgenommen, finde aber trotzdem, dass Sie erfahren sollten, zu welchen Schlüssen ich gekommen bin. Zum einen sieht das Mädchen vermutlich viel jünger aus, als sie eigentlich ist. Ihre exakte Körpergröße beträgt 136 cm und ihr Gewicht 28 kg. Ein kleines, mageres Mädchen mit kleinen Brüsten und spärlicher Schambehaarung.
Rhagaden in den Mundwinkeln und entzündete Läsionen in und um den Mund herum lassen auf Unterernährung und Vitamin- und Spurenelementmangel schließen. Schlechte Zähne und mehrere unbehandelte Fälle von Karies. Der Zahnstatus lässt darauf schließen, dass sie etwa dreizehn Jahre alt ist. Der Gerichtsodontologe war in einer anderen Sache bei uns, und ich bat ihn, auch einen Blick auf das Mädchen zu werfen. Ihm fiel auf, dass ihre hinteren Backenzähne schon durchgebrochen waren. Morgen fertigt er Röntgenaufnahmen des Gebisses an. Bei dieser Gelegenheit machen wir dann auch Aufnahmen des Skeletts zwecks Altersbestimmung.«
Die Professorin legte eine Pause ein, um Luft zu holen, und fuhr sich mit den Fingerspitzen durch ihre wallende rote Mähne. Ihr kurzes, hellbraunes Wildlederjäckchen passte sehr gut zu ihrem engen schwarzen Rock. Wie immer trug sie schwindelerregend hohe Absätze. Dieses Mal an exklusiven Lederstiefeln in derselben Farbe wie die Jacke. Yvonne Stridner kleidete sich so, damit sie größer und schlanker wirkte.
»Ihr Unterleib ist ziemlich mitgenommen. Spuren alter Verletzungen sind deutlich zu erkennen. Sie litt an einer schweren Infektion, die einen fürchterlichen Gestank verbreitet. Ich habe Proben eingeschickt, um herauszufinden, um welche Bakterien es sich handelt. Auch am Anus finden sich große Wunden und vernarbtes Gewebe. Dieses Mädchen wurde also sehr lange sexuell missbraucht. Beide Armbeugen weisen außerdem diverse Einstichstellen auf. Die ältesten sind mehrere Monate alt. Es gibt ebenfalls Einstiche zwischen den Zehen und auf der Innenseite der Oberschenkel.«
Es war vollkommen still im Raum. Einen kurzen Augenblick lang wirkte das sonst beherrschte Gesicht der Professorin müde und gequält.
»Ich kann nur die körperliche Gewalt beschreiben, der sie ausgesetzt war. Über die psychische kann keine Obduktion dieser Welt Aufschluss geben.«
Nach diesem Schlusswort eilte sie zur Tür und riss sie mit dem gleichen Schwung wie bei ihrem Eintritt vor ein paar Minuten
auf. Es hatte eine gewisse Logik, dass Kommissar Erik Lind in diesem Augenblick wieder von der anderen Seite hereingestolpert kam. Seine rechte Hand griff nach der Klinke und fasste ins Nichts.
»Was zum Teufel …«, fauchte er, riss sich aber sofort zusammen, als er erkannte, dass er wieder der Stridner gegenüberstand.
Zwei stählerne Blicke kreuzten sich wie Klingen in der Luft.
Dann geschah etwas vollkommen Unerwartetes.
Die Mundwinkel der Professorin begannen zu zucken. Erik Lind kniff die Augen zusammen und verzog dann plötzlich seinen Mund zu einem breiten Grinsen. Sie begannen zu lachen, erst nur gedämpft, aber nach einer Weile richtig laut und herzlich. Einige der anderen Polizisten stimmten ebenfalls ein, allerdings leiser.
Yvonne Stridner warf Erik Lind noch ein strahlendes Lächeln zu und ging dann die Hüften schwingend an ihm vorbei durch die Tür. Sie hörten ihr Lachen gemischt mit dem Klappern ihrer Absätze Richtung Ausgang verschwinden.
Erik Lind lachte noch leise, als er sich an seine Kollegen wandte. Dann setzte er wieder eine ernste Miene auf und sagte förmlich:
»Ich habe einen Anruf erhalten. Eine weitere Leiche wurde entdeckt.«
Im Raum herrschte vollkommene Stille. Der Kommissar der Ordnungspolizei erkannte, dass Erläuterungen erwartet wurden, und so fuhr er fort:
»Die Person ist schon länger tot. Mehrere Monate. Liegt in einem recht unzugänglichen, felsigen Terrain. Einer der Hunde hat sie gefunden.«
»Was … wen?«, sagte Andersson verwirrt.
Irene hörte, wie er beim Atmen zu pfeifen begann.
»Keine Ahnung. Im vorläufigen Bericht steht, dass es sich um eine Person handelt, die ihrem Zustand nach zu urteilen bereits vor einiger Zeit verschied.«
»Handelt es sich um ein
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