Die Tote im Keller - Roman
Kind?«, fragte Irene rasch.
»Nein. Wahrscheinlich ein Erwachsener. Aber das Geschlecht lässt sich nicht zweifelsfrei bestimmen. Die Überreste der Kleidung geben jedoch Anhaltspunkte. Schwere Stiefel und eine Helly-Hansen-Jacke.«
Klingt nach einem Mann, dachte Irene erleichtert.
»Wer fährt mit raus?«, wollte Lind wissen.
Fredrik Stridh und Tommy Persson erhoben sich und folgten Kommissar Lind durch die Tür.
Irene berichtete von ihren Bemühungen, die Identität der Autodiebe festzustellen.
»Unter den Flüchtigen gibt es drei mögliche Kandidaten: Daniel Lindgren, Billy Kjellgren und Niklas Ström. Falls sich erweisen sollte, dass keiner von den dreien in die Sache verwickelt ist … tja, dann können wir nur noch auf ein wenig Glück hoffen«, meinte sie.
»Wir brauchen wohl eine große Portion Glück, wenn wir dieses verdammte Durcheinander, das während der letzten vierundzwanzig Stunden entstanden ist, wieder einigermaßen entwirren wollen«, murmelte Jonny Blom halblaut.
Ausnahmsweise war Irene seiner Meinung.
Hannu Rauhala berichtete, dass er den Schlüsselbund bei der Gerichtsmedizin geholt hatte. Einer der Schlüssel passe zur Wohnungstür von Torleif Sandberg.
»Ich habe mir die Wohnung angesehen. Kein Mensch da. Dann habe ich die Angehörigen von Torleif Sandberg ausfindig gemacht. Seine Exfrau ist nach Stockholm gezogen. Der Sohn wohnt in Umeå. Ich benachrichtige sie, wenn die Identifizierung abgeschlossen ist.«
»Zahnstatus?«, fragte Irene.
»Ja. Morgen wissen wir es sicher«, erwiderte Hannu nickend.
In die Stirn von Kommissar Andersson hatten sich tiefe Sorgenfalten eingegraben. Seit dem Vorabend lief alles im Dezernat auf Hochtouren. Journalisten riefen laufend bei der Vermittlung des Präsidiums an. Andersson hatte für zehn Uhr am nächsten Vormittag eine Pressekonferenz anberaumt und erklärt, vorher habe es sowieso keinen Sinn, da die Identifizierung
des Mädchens noch nicht abgeschlossen sei. Die Reporter der Abendzeitungen waren jedoch erfindungsreich, und in Ermangelung von Informationen hatten sie ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Die Schlagzeile der größten Abendzeitung lautete:
»FUHR MÄDCHENMÖRDER MANN TOT?«
Das Fragezeichen war wohl eher rhetorischer Art. Der Artikel bestand hauptsächlich aus großformatigen Fotos, die die Abzweigung mit dem Schlagbaum, den abgesperrten Erdkeller sowie Polizeihunde, die im Dickicht herumschnüffelten, zeigten. Außerdem ein halbseitiges, platzfüllendes Foto eines Polizeihubschraubers. Da im Hintergrund blühender Flieder zu sehen war, lag der Schluss nahe, dass es sich um ein Archivfoto handelte. Der Text war sehr kurz und enthielt nichts, was man nicht schon am Morgen aus den Nachrichten erfahren hätte. Mit Ausnahme der Schlussfolgerung des Reporters, der Mörder müsse es nach dem Mord an dem Mädchen eilig gehabt haben. Daher sei erlaut Zeugenaussagen mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit den Delsjövägen entlanggerast und habe dem Fußgänger, der gerade die Straße überquerte, nicht mehr ausweichen können.
Die Zeitung hatte bereits aufgeschlagen auf dem Schreibtisch von Kommissar Andersson gelegen, als sie ins Dezernat zurückgekehrt waren. Andersson deutete auf die Fotos und brummte etwas Unverständliches. Irene seufzte.
»Erstens stimmt die Fahrtrichtung des Autos nicht. Der BMW kam aus der Stadt. Wäre es der Mörder gewesen, dann hätte das Auto aus der entgegengesetzten Richtung kommen müssen. Zweitens stimmt die Zeit nicht. Das Mädchen war bereits tot«, sagte er.
»Genau. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.« Bei dieser Feststellung verspürte er Zufriedenheit. Aber jetzt hatten sie schon eine neue Leiche am Hals. Der einzige Trost war, dass es sich nicht um eine frische Leiche handelte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie nichts mit dem Mädchenmord und dem Unfalltod Torleif Sandbergs zu tun. Trotzdem würde sie
dem Dezernat Arbeit verursachen. Es waren einfach zu viele zu große Ermittlungen gleichzeitig.
»Ich möchte bereits heute Nachmittag bekanntgeben, dass das Mädchen aller Wahrscheinlichkeit nach dreizehn oder vierzehn Jahre alt war und nicht elf oder zwölf, wie wir zu Beginn angenommen hatten. Bisher ist noch keine Vermisstenmeldung eingegangen, die auf das Mädchen gepasst hätte. Die uns momentan bekannten Ausreißerinnen sind alle älter und sehen auch alle älter aus«, sagte Birgitta.
Irene hatte nur Fotos des ermordeten Mädchens gesehen. Klein, mager, feingliedrig
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