Die Tote im Keller - Roman
Präsidium und eilte auf den Parkplatz zu. Sie kämpfte gegen Wind und Schnee an. Die Kollegen hatten alle etwas von der Arbeit gemurmelt, die sich auftürmte, aber Irene hatte ausnahmsweise einmal an ihrem Entschluss festgehalten, früher zu gehen. Sie hatte unzählige Überstunden, die sie abfeiern musste, und das kam ihr jetzt sehr gelegen. Sie musste noch einiges für das Abendessen vorbereiten.
Natürlich wäre es besser gewesen, das Essen Freitag- oder Samstagabend abzuhalten, aber Krister würde das ganze Wochenende arbeiten, und bis zum nächsten Wochenende wollte sie nicht warten. Deswegen hatte sie diesen Donnerstagabend ausgesucht. Die ganze Familie wollte feiern, dass Katarina und Felipe nach vier Monaten glücklich und wohlbehalten aus Brasilien zurückgekehrt waren. Irene hatte sie noch gar nicht zu Gesicht bekommen, denn in der vergangenen Nacht hatten sie in Felipes Wohnung übernachtet. Er bewohnte eine Einzimmerwohnung am Frölunda Torg, allerdings nur vorübergehend. Katarina sprach bereits davon, von zu Hause auszuziehen, wollte aber erst einmal alleine wohnen, bevor sie mit jemandem zusammenzog. Und wenn sie dann mit Felipe zusammenziehen würde, dann in eine große Wohnung. Ihr Problem war ohnehin, dass sie immer noch nicht wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Ihre Noten waren recht ordentlich, aber nicht gut genug, um zum Studium der Krankengymnastik zugelassen zu werden. Sie hatte auch keine Lust, ihre Noten nachträglich zu verbessern. Von Schule hatte sie genug.
Jedenfalls war das so, als sie vor vier Monaten nach Südamerika gefahren war. Irene fragte sich, ob sie vielleicht inzwischen anders dachte. Sie war neugierig, was ihre Tochter in dem großen Land auf der anderen Seite des Atlantiks erlebt hatte. Irene und Krister hatten diese Seite der Erdkugel nie besucht. Nicht einmal Europa hatten sie bislang verlassen. Die jungen Leute von heute fuhren kreuz und quer um die Welt. Sie zogen mit derselben Selbstverständlichkeit mit ihren Rucksäcken durch Thailand und Australien, wie Irene und ihr damaliger Freund vor fünfundzwanzig Jahren eine Fahrradtour nach Gotland unternommen hatten.
Irene hatte mit Katarina im Verlauf des Tages telefoniert, und ihre Tochter hatte sich »schwedisches Essen« gewünscht, weil sie sich danach gesehnt hatte: die Blini ihres Vaters mit roten Zwiebeln und Kaviar sowie Cannelloni mit Gorgonzolasauce und geräuchertem Schinken. Als Dessert sollte es Crème brûlée geben. Alles Gerichte, auf die Krister besonders stolz war. Er hatte sehr gelacht, als ihm seine Frau die Bestellung dieser »schwedischen« Gerichte durchgegeben hatte:
»Russische Blini und italienische Cannelloni und als großartigen Abschluss ein Dessert, das seine Ursprünge in der spanischen Crème catalane hat, aber in New York von dem Restaurantbesitzer Sirio Maccioni veredelt wurde. Von dort brachte es der Sternekoch Paul Bocuse nach Europa und Frankreich. «
»Meine Güte. Ist das wahr?«
»Klar. Von wegen die Globalisierung hat jetzt erst angefangen! In der Gastronomie gibt es sie längst. Wir mischen unbekümmert die Kochrezepte aus aller Welt. Die Wahrheit ist jedoch, dass heute bereits alle Menschen Kosmopoliten sind. Zum Beispiel Pizza. Ich aß meine erste, als ich zwölf war. Die Pizzeria gibt es übrigens immer noch in Göteborg. La Gondola. Der Geschmack und Duft der ersten Calzone meines Lebens machte einen größeren Eindruck auf mich als zuvor der Besuch im Vergnügungspark. Ich erzählte allen meinen Freunden in Säffle von der superguten Pizza in Göteborg. Nur wenige
Jahre später wurde dann die erste Pizzeria in Säffle eröffnet. Pizza hat sich zur schwedischen Hausmannskost entwickelt.«
Dies war eines von Kristers Lieblingsthemen. Irene hatte sich gezwungen gesehen, seinem Redeschwall Einhalt zu gebieten.
»Du kannst doch in den Supermarkt gehen, und ich kaufe den Wein?«, hatte sie rasch gesagt, als Krister Luft geholt hatte, um gleich wieder weiterzureden.
»Klar. Jenny begnügt sich zwar zu den Cannelloni mit einer normalen Tomatensauce, aber mir fehlen trotzdem noch einige Zutaten. Champignons und schwarze Oliven auf jeden Fall. Und frisches Basilikum.«
Seine Stimme hatte froh und erwartungsvoll geklungen. Er hatte lange gebraucht, seine Erschöpfungs-Depression von vor anderthalb Jahren zu überwinden. Und es kam immer noch vor, dass ihn die düstere Stimmung überfiel. Aber jetzt hoffte Irene, dass er wieder der Alte werden würde. Seine gute
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