Die Tote im Keller - Roman
sie musste sich in das Sauwetter hinauswagen.
»Blondie … Linda Holm hat für dich angerufen«, teilte Jonny ihr mit, als er Irene auf dem Korridor begegnete.
Sie sah rasch auf die Uhr. Bis zur Morgenbesprechung waren es noch zehn Minuten. Sie ging durch einen Seitengang zum Dienstzimmer der Kommissarin. Linda Holm stand mit dem Rücken zur Tür vor ihrem Schreibtisch. Sie telefonierte und versuchte gleichzeitig eine türkise Wolljacke auszuziehen.
Sie legte auf und konnte sich endlich aus ihrem Ärmel befreien. Da entdeckte sie Irene in der Tür.
»Hallo! Ich habe gedacht, dass ihr vielleicht dabei sein wollt, wenn wir heute Nachmittag Heinz Becker und die Mädchen aus dem Bordell vernehmen?«, fragte sie.
Irene überlegte, was sie im Verlauf des Tages zu tun hatte, und kam zu dem Schluss, dass es unendlich viel war. Aber diese Verhöre hatten Vorrang. Becker war bislang die einzige Spur, die zur Identität des Mädchens führen konnte.
»Gerne. Vielleicht weiß ja eine dieser Personen, wer das ermordete Mädchen ist«, erwiderte sie.
»Genau das dachte ich auch.«
Linda deutete auf ihr Notebook und sagte:
»Gestern Nachmittag bin ich alle Mädchen durchgegangen, die im Internet in der Gegend von Göteborg im Augenblick feilgeboten werden. Ich habe auch alle Städte in einem Umkreis von hundert Kilometern überprüft. Nirgends gab es ein Mädchen, das nur annähernd so jung war wie die Tote. Aber wie gesagt, befindet sich Heinz Becker in der Stadt. Und falls es jemandem möglich ist, richtig junge Mädchen ranzuschaffen, dann ihm. Ich glaube, dass einiges dafür spricht.«
»Dann sind wir bei den Verhören dabei. Ich rede mit Birgitta. «
»Ich melde mich, wenn es so weit ist.«
»Okay«, erwiderte Irene.
Linda nickte, da klingelte wieder ihr Telefon.
Irene hastete den Korridor entlang, um vor der Morgenbesprechung noch einen Kaffee aus dem Automaten zu holen. In rasendem Tempo bog sie um eine Ecke und stieß mit dem Kriminaltechniker Svante Malm zusammen.
»Au! Oh! Entschuldige«, sagte Irene überrascht.
»Verdammt! Du hast den Kaffee auf dem Pullover«, sagte Svante.
Unbeholfen machte er sich an dem Kaffeefleck zu schaffen, der sich rasend schnell auf dem Ärmel von Irenes hellblauem Pullover ausbreitete. Irene schob seine Hand beiseite und eilte wieder in die Richtung, aus der sie gekommen war. Rasch öffnete sie die Tür zur Toilette und stürzte ans Waschbecken. Sie
drehte den Kaltwasserhahn voll auf und hielt ihren Arm darunter. Es spritzte in alle Richtungen. Dank ihrer schnellen Reaktion hatte sie sich keine Verbrennung zugezogen, aber es schmerzte trotzdem. Svantes sommersprossiges Gesicht tauchte in der Tür auf.
»Hast du dich verbrannt?«, fragte er besorgt.
»Nein, ist noch mal gutgegangen. Aber könntest du so nett sein und mir einen Becher Kaffee holen? Dann sehen wir uns im Besprechungszimmer«, erwiderte Irene und versuchte überzeugend zu klingen.
Ein erleichtertes Lächeln machte sich auf Svantes freundlichem Pferdegesicht breit.
»Kein Problem. Die anderen warten sowieso auf mich. Sie müssen sich eben gedulden, bis ich zwei Becher Kaffee geholt habe. Milch und Zucker?«
»Nein danke. Schwarz.«
Seufzend drehte Irene den Wasserhahn ab und tupfte mit ein paar Papierhandtüchern an dem Fleck herum. Er war deutlich zu sehen, aber das ließ sich nicht ändern. Irene war etwas geknickt, der dünne Wollpullover war ein Markenteil. Das einzige Kleidungsstück, das sie im Schlussverkauf nach Weihnachten erstanden hatte. Sie schaute in den Spiegel und stellte fest, dass sie genauso aussah, wie sie sich fühlte.
»Wir haben Spermaflecken auf dem T-Shirt und auf der Jacke gefunden. Außerdem klebte frisches Sperma in ihrem Haar«, sagte Kriminaltechniker Svante Malm.
Er hielt inne, blickte in die Runde und fuhr dann fort:
»Das Sperma im Haar stimmt mit den Flecken auf dem T-Shirt überein. Es stammt also vom selben Mann. Die Spermaflecken auf der Jacke stammen von zwei anderen Männern.«
Nach diesen Ausführungen herrschte ein beklommenes Schweigen. Dann flüsterte Birgitta leise Irene zu:
»Gruppenvergewaltigung.«
Irene warf einen Blick auf das Foto, das an der Tafel befestigt war. Sie schauderte unwillkürlich, als sie den zarten Körper auf
der kalten Stahlfläche des Seziertisches betrachtete. Vor ihrem inneren Auge sah sie drei nackte Männer, die um den Tisch standen. Irene wurde übel, und sie schob das Bild von sich.
Der Tod hatte alle Gefühle aus dem
Weitere Kostenlose Bücher