Die Tote im Keller - Roman
und die fast körperlich zu spüren war. Sie wusste, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein musste. Sie nickte in die Runde, ließ sich auf den erstbesten freien Stuhl sinken und bemühte sich, eine aufmerksame Miene aufzusetzen.
»Es war eine hektische Nacht, was wohl keinem von euch entgangen sein dürfte«, fing der Kommissar an.
Irene wusste nicht, wovon die Rede war, aber sie sah ein, dass dies kein günstiger Augenblick war, ihre Ahnungslosigkeit preiszugeben. Sie lehnte sich zurück und versuchte auszusehen, als wüsste sie über alle nächtlichen Vorfälle Bescheid.
»Die Zeitungen haben wie immer viel verdreht, aber in groben Zügen stimmt alles, was die Lokalnachrichten gemeldet haben. Nur von dem Mädchen wussten sie noch nichts, aber die Abendzeitungen werden darüber berichten«, fuhr er fort.
Er schaute grimmig über die Kante seiner billigen Lesebrille und musterte sein Auditorium. Irene atmete auf, als Tommy Persson wie ein artiger Schuljunge die Hand hob und fragte:
»Was ist eigentlich vorgefallen? Ich habe heute Morgen die Nachrichten verpasst. Ich musste das Eis von den Scheiben kratzen und mir von einem Nachbarn mit dem Starterkabel beim Anlassen helfen lassen. Ich habe nicht mal in die Zeitung geschaut, ehe ich von zu Hause weg bin.«
Der Kommissar schob missmutig die Unterlippe vor und sah Tommy durchdringend an, was wenig half, denn davon wurde Kriminalinspektor Persson auch nicht klüger. Andersson blieb nichts anderes übrig, als dies einzusehen, also seufzte er laut und ergriff dann wieder das Wort.
»Gestern Abend um 21.17 Uhr wurde in der Stampgatan ein Autodiebstahl gemeldet. Der Halter belud gerade seinen Wagen,
einen BMW 630i. Aufgrund der Kälte ließ er den Motor laufen, damit der Wagen nicht auskühlte. Das Auto stand etwa zwanzig Meter vom Hauseingang entfernt, in dem er einige Sachen abgestellt hatte. Offenbar ziehen die Leute gerade um. Er hatte einen zusammenklappbaren Kinderwagen im Kofferraum verstaut und war gerade wieder ins Haus getreten, da hörte er, wie die Türen des Wagens geöffnet und wieder geschlossen wurden. Als er sich umdrehte, sah er den Wagen bereits wegfahren. «
»Dann hat er also nicht sehen können, wer das Auto geklaut hat?«, warf Birgitta Moberg-Rauhala ein.
»Doch. Als er den Kinderwagen in den Kofferraum gelegt und den Kofferraumdeckel geschlossen hatte, kamen zwei junge Männer auf dem Bürgersteig auf ihn zu. Laut Personenbeschreibung trugen sie dunkle, weite Kleidung und gestrickte Mützen. Sie sollen wie Hiphopper ausgesehen haben.«
»Typen, denen ihre Riesenhosen über den Arsch hängen«, meinte Jonny Blom grinsend, was Irene ein wenig verwunderte. Sie hatte einige Tage vor Weihnachten Jonny und seinen ältesten Sohn auf dem Frölunda Torg getroffen. Der Fünfzehnjährige hatte eine zu weite Jeans und eine Kapuzenjacke getragen, und unter seiner gestrickten Mütze hatten sich Dreadlocks abgezeichnet.
Andersson tat so, als hätte er Jonny Bloms Beitrag nicht gehört, und fuhr unbeeindruckt fort:
»Das Alter der Jungs schätzte er auf zwischen 17 und 25 Jahre. Sie rasten in der Straßenbahnspur davon, fuhren über die Västra-Folkunga-Brücke und weiter die Skånegatan entlang. Die Verrückten sind also nur ein paar Minuten nach dem Diebstahl hier vorbeigekommen. Dann sind sie nach Liseberg gefahren und dort in Richtung Örgryte-Kreuz abgebogen. Sie fuhren in Richtung Sankt Sigfridsplan und weiter den Delsjövägen entlang. Gleichzeitig wurde der Wagen über Funk zur Fahndung ausgeschrieben. Ein Streifenwagen, der an der Imbissbude am Delsjövägen stand, sah den gesuchten BMW in hohem Tempo vorbeifahren. Die Beamten meldeten sich bei der Einsatzzentrale
und nahmen die Verfolgung auf. Es gelang ihnen, das verdächtige Fahrzeug im Auge zu behalten, und sie wurden Zeuge, wie es vor dem TV-Huset in einen Fußgänger raste.«
Andersson hielt inne, um sich zu räuspern.
»Der Streifenwagen blieb natürlich an der Unfallstelle stehen und rief einen Krankenwagen und Verstärkung. Aber es hatte ordentlich gekracht. Der Arzt meint, das Opfer sei sofort tot gewesen. Der Schädel war zerschmettert. Und…«
Er unterbrach sich, schluckte ein paarmal und fuhr dann fort:
»Das Opfer trug eine Trainingsjacke mit einem Polizeiabzeichen. Das Gesicht war fast vollkommen zerstört, aber … aber es ist also sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Polizisten handelt.«
Die Stille im Raum wirkte mit einem Mal wie elektrisch aufgeladen.
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