Die Tote im Keller - Roman
Monaco, aber dann erkannte sie, dass die Frau auf dem Gemälde der schönen Amerikanerin nur sehr ähnlich sah. Am Rahmen war ein Messingschild befestigt: »Elisabeth Saar, born Tanner, 1953 – 2002«.
Auf einem der kleinen Sessel in der Ecke saß ein schlaksiger Mann, und neben ihm stand eine Frau. Irene erkannte sie. Es war die junge Frau, mit der Inspektor Juan Rejón laut Zeitungsüberschrift angeblich liiert war.
Der Mann auf dem Sessel war Anfang dreißig. Seine weiße Leinenhose ließ einen teuren Schneider erkennen. Er gehörte zu dem Typus skandinavischer Männer, deren Haar sich bereits zeitig lichtet. Er hatte edle Gesichtszüge und eine dominierende, aristokratische Habichtsnase. Die Augen hatten dieselbe Farbe wie der Teppichboden, und sein Blick war durchdringend. Er erhob sich, als Irene mit ihrer Eskorte eintrat. Ein kaum erkennbares Lächeln huschte über seine dünnen Lippen, als er ihr die Hand schüttelte.
»Ich bitte um Entschuldigung, dass wir Ihre Zeit auch weiterhin in Anspruch nehmen müssen. Leider sahen wir keine andere Möglichkeit, als Sie hierherzubitten, damit Sie uns erzählen können, was die schwedische Polizei herausgefunden hat«, sagte er mit freundlicher Stimme.
Er deutete eine Verbeugung an und sagte:
»Mein Name ist Nicholas Saar, und das hier ist meine Schwester Julia.«
Er deutete auf die junge Frau, die sich nicht einmal die Mühe machte, Irene anzuschauen. Demonstrativ nahm sie eine lange dünne Zigarette aus ihrer riesigen weißen Handtasche und zündete sie mit einem kleinen goldenen Feuerzeug an.
»Julia, sei so nett und rauche hier drinnen nicht«, sagte ihr Bruder scharf.
Sie warf ihm mit ihren saphirblauen Augen einen säuerlichen
Blick zu, drückte dann aber ihre eben angezündete Zigarette in dem Aschenbecher auf dem Couchtisch aus.
»Die Ventilation ist defekt. Glücklicherweise ist davon aber nur der Bürotrakt betroffen. Im Kasino und im Club funktioniert die Klimaanlage einwandfrei«, sagte Nicholas Saar entschuldigend.
Mit der Computertasche über der Schulter stand Irene angespannt vor ihm. Sie presste ihre Tasche fest an sich, als könne sie aus ihr Kraft schöpfen.
»Wie Sie sehen, haben wir uns bereits auf Ihren Vortrag vorbereitet und einen Projektor aufgebaut. Aber vermutlich haben Sie nach Ihrem langen Besuch bei Polizeichef de Viera Hunger. Er ist nicht gerade für seine Großzügigkeit und Gastfreundschaft bekannt. Das Budget für die Bewirtung von Gästen steckt er in die eigene Tasche«, fuhr Saar unbeschwert fort, als sei Irene ein ganz gewöhnlicher Gast.
Zumindest sprachen Irenes Erfahrungen für den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung. Als gastfreundlich konnte man de Viera tatsächlich nicht bezeichnen.
Irene stand angespannt schweigend da und überließ Nicholas Saar die Unterhaltung, was ihm überaus recht zu sein schien. Seine englische Aussprache war akzentfrei und hätte zu dem Darsteller einer Person aus der Oberschicht in einer englischen BBC-Serie gepasst. Englisches Internat, dachte Irene.
»Möchten Sie etwas essen?«, fragte Nicholas.
Irene war plötzlich der Appetit vergangen. Aber sie spürte, wie ihre Kopfschmerzen wieder zunahmen. Sie musste etwas essen.
»Ein kaltes Carlsberg, ein großes Glas Wasser mit Eis und ein Käsebrot.«
Sie sagte nicht einmal bitte, was auch nicht nötig war, da man sie im Prinzip gegen ihren Willen hierhergebracht hatte. Wäre alles wie geplant verlaufen, dann würde sie in diesem Augenblick vor einem warmen Essen am Pool ihres Hotels sitzen. Sie hatte aber keine große Lust, sich von diesen Leuten beim Essen zuschauen zu lassen. An ihrem Butterbrot kauen
und Bier trinken konnte sie, während sie die Ermittlungsergebnisse präsentierte.
Nicholas Saar zog bei ihrer Bestellung nur ironisch die eine Braue hoch, nickte aber ohne weitere Kommentare. Er sagte etwas auf Spanisch zu dem Wachmann an der Tür, und dieser trat sofort an die Gegensprechanlage neben dem Türrahmen. Nach ein paar raschen Worten in den Apparat sahen alle sehr zufrieden aus. Die Bestellung war ausgeführt.
Irene schloss ihren Laptop an den Projektor an, richtete diesen auf die leere Wand und stellte ihn scharf. Das erste Bild zeigte den Erdkeller, in dem die kleine Russin gefunden worden war, von außen. Sie hatte das Gefühl, als stamme es aus einem anderen Leben vor vielen Jahren. Erstaunt stellte sie fest, dass es erst dreieinhalb Wochen her war.
Diskret klopfte es an der Tür. Viermal schnell und dann zweimal mit
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