Die Tote im Keller - Roman
der Stelle, wo die Kanüle die Vene zerstochen hatte. Es war kurz vor acht am Samstagmorgen, und ihr zweiter Tag auf Teneriffa war angebrochen.
Im Zimmer befanden sich außer der Dolmetscherin und dem Polizeichef noch zwei Kollegen von der Policía Nacional. Sie erkannte sie von ihrem zweiten Vortrag wieder, den sie am Vorabend im Präsidium gehalten hatte, konnte sich an ihre Namen aber nicht erinnern.
Die drei Polizisten stellten abwechselnd Fragen, und Irene antwortete, so gut sie konnte. Ihr fiel auf, dass de Viera sie
mehrmals auf die Personenbeschreibung des Mörders ansprach. Wahrheitsgemäß erwiderte Irene, dass sie ihn nie richtig habe sehen können. Sie hätte gerade ihren Laptop an den Projektor angeschlossen. Der Tisch hatte sich von der Tür aus gesehen im hinteren Teil des Zimmers befunden. Man habe sie von der Tür aus nicht sehen können. Sie erinnerte sich nur, dass die Hand, die den großen Revolver gehalten hatte, vollkommen ruhig gewesen war. Der Arm hatte in einer weißen Kellnerjacke gesteckt.
Als die Befragung dem Ende entgegenging, wollte Irene wissen, wie es den Kollegen gelungen war, in den hermetisch verschlossenen Raum zu gelangen, und was aus den anderen geworden sei, die sich darin befunden hatten.
De Viera erzählte, und Ms. Baxter dolmetschte simultan. Alle, die Schlüssel zu der Sicherheitstüre besessen hatten, hatten sich hinter dieser befunden. Schließlich war jedoch einem der Oberkellner eingefallen, dass Lembit Saar immer noch im Krankenhaus lag. Der Offizier der herbeigerufenen Polizeitruppe hatte das Krankenhaus verständigt. Saar hatte ihnen seinen Schlüssel sowie die Codes für die Schlösser gegeben. Zum Öffnen hatte man beides benötigt.
So war es erst etwa eine halbe Stunde, nachdem man draußen die Schüsse gehört hatte, gelungen, in das Zimmer vorzudringen. Glücklicherweise war die Tür nach außen aufgegangen, denn direkt dahinter hatte der Wachmann gelegen, der keine Gelegenheit mehr gehabt hatte zu reagieren, bevor er vom Mörder hingerichtet wurde. Um es mit wenigen Worten auszudrücken, so waren Irene und Arvo Piirsalou die einzigen Personen im Zimmer gewesen, die mit dem Leben davongekommen waren. Es dauerte ein paar ratlose Sekunden, bis Irene begriff, dass das der Name des Chauffeurs war. Offenbar handelte es sich bei ihm ebenfalls um einen Esten.
Nach diesen, gelinde gesagt, aufrüttelnden Erlebnissen im Ferienparadies sehnte sich Irene nur noch nach Hause.
Ehe ihre Kollegen durch die Tür verschwanden, gaben sie ihr ihren Laptop zurück. Brauchen sie ja auch nicht mehr, schließlich
hat de Viera eine Kopie der Ermittlungsakten, dachte Irene noch. Doch sie sagte nichts, sondern dankte nur dafür, ihren Computer zurückzuerhalten.
Eine Stunde später verließ sie das Krankenhaus mit einem Taxi. Der Arzt hatte sie ermahnt, sich bis zur Heimreise am nächsten Tag nicht anzustrengen und viel Wasser zu trinken. Die Schussverletzung, die sie an der Schulter erlitten hatte, war zwar nur äußerlich und würde in einer Woche verheilt sein. Ihre Bewusstlosigkeit aber war auf eine Kombination aus Schock und Dehydrierung zurückzuführen gewesen. Man hatte ihr im Krankenhaus eine Beruhigungsspritze gegeben, damit ließ sich auch ihre Schläfrigkeit und ihre Desorientierung in den Morgenstunden erklären.
Zwei Liter Infusion und eine Nacht Schlaf hatten Wunder gewirkt. Sie fühlte sich erstaunlich munter, als sie in ihr Hotelzimmer zurückkam. Vor genau dreizehn Stunden war sie schon einmal durch diese Tür getreten und dann direkt auf die Toilette gegangen.
Sie stand lange unter der Dusche und ließ das Wasser an sich herablaufen. Immer wieder seifte sie sich mit der Duschcreme des Hotels ein und duschte dann den duftenden Schaum ab. Sie hatte jedoch das Gefühl, nicht sauber zu werden, egal wie lange sie schrubbte.
Ihre Gedanken kehrten ständig zu dem verschlossenen Raum im Kasino zurück, und vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder auf. Sie benötigte ihre ganze Willenskraft, sich kein weiteres Mal einzuseifen. Nun musste sie nach vorne blicken.
Anschließend cremte sie sich mit Sonnencreme ein und zog ihren Bikini und ein Unterhemd an. Die Shorts, die sie am Vorabend getragen hatte, war schmutzig und blutverschmiert. Angeekelt warf sie sie in den Papierkorb. Dort landete auch der schöne Pullover, den sie getragen hatte. Jetzt war nur noch ein sauberes T-Shirt in ihrem Rucksack übrig. Das hatte sie eigentlich auf der Heimreise tragen wollen. Sie
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