Die Tote im Keller - Roman
stritt alles ab, was er bislang gesagt hatte. Als ihn Fredrik mit der Tatsache konfrontierte, dass er es war, der ihnen die Namen Tanja und Sergej genannt habe, behauptete er, sich an nichts erinnern zu können. Er behauptete, diese Namen noch nie gehört zu haben. Vielleicht sei das ja etwas gewesen, was ihm jemand im Suff erzählt und was er dann, noch nicht wieder nüchtern, wiederholt habe. Außerdem bestehe er bei allen weiteren Verhören auf seinem Anwalt. Sein Anwalt Joar Svanér war im Präsidium bekannt – oder genauer gesagt berüchtigt. Er lief auch unter dem Namen Bandidos-Anwalt. Irgendwie glückte es ihm immer, die Gesetze zu dehnen. Sein Talent war unbestritten. Im Laufe der Jahre war er sehr reich geworden und galt als einer der bekanntesten Anwälte Göteborgs. Promi-Partys, Frauen und schnelle Sportwagen waren sein Markenzeichen. Und der wichtigste Rat für seine Mandanten war: Schnauze halten!
Es war deutlich, dass Anders, »der Indianer«, Pettersson sich diesen Rat seines juristischen Vertreters zu Herzen genommen hatte. Er hatte nicht vor, auch nur eine Silbe zu sagen.
Nach einer Stunde ergebnisloser Fragerei gab Irene Fredrik verstohlen ein Zeichen. Dieser brach daraufhin das Verhör ab.
Als der Indianer mit einem letzten höhnischen Grinsen das Zimmer verließ, sagte Fredrik mutlos:
»Der wird nie reden.«
»Doch. Wir müssen uns nur etwas einfallen lassen, um ihm Angst einzujagen, damit er redet. Wovor hat er am meisten Angst?«
»Dass ihm die Bandidos eine Abreibung verpassen, falls er auspackt, ihn vielleicht sogar kaltmachen.«
»Ja. Und davor hat er ganz zu Recht Angst. Aber ich meine, gemerkt zu haben, dass er nervös wird, sobald wir auf seine eigenen Schandtaten zu sprechen kommen. Ich glaube, er hat Angst davor, dass wir etwas finden, das ihn wieder in den Knast bringt. Ich habe das Gefühl, dass das Gefängnis seine größte Furcht ist.«
»Da gefällt es doch wohl keinem Verbrecher.«
»Stimmt. Aber für den Indianer war es im Knast vermutlich besonders hart. Pädophile haben dort nichts zu lachen. Und er hat Angst davor, dass wir irgendeiner Sache auf die Spur kommen. Fragt sich nur, welcher. Und dann müssen wir sie natürlich beweisen können.«
Fredrik nickte und sah aus, als würde er angestrengt nachdenken. Plötzlich sagte er:
»Mit den Bauarbeitern auf dem Dachboden über dem Bordell habe ich geredet und ihnen Speichelproben abgenommen. Es ergab sich keine Übereinstimmung mit dem Sperma, das wir auf Tanja und ihrer Jacke gefunden haben. Vielleicht sollten wir die DNA des Indianers überprüfen?«
»Warum nicht? Wir haben sein DNA-Profil schließlich noch von früheren Fällen des Missbrauchs von Minderjährigen.«
»Ich habe aber irgendwie das Gefühl, dass nicht er es war, der Tanja ermordet hat«, meinte Fredrik.
»Nein, vielleicht nicht. Aber er weiß etwas über diesen Mord. Er kannte die Beteiligten viel besser, als er zugeben will.«
Björn »Billy« Kjellgren war laut Personenkennziffer gerade achtzehn geworden, sah aber jünger aus. Seine weiten Hosen und
die Kapuzenjacke hingen an seinen schmächtigen Gliedmaßen herunter. Seine knochigen Schultern zeichneten sich scharf unter der Jacke ab. Um die Wahrheit zu sagen, war er fast mager. Rotblondes Haar schaute unter dem Rand einer gestrickten dunkelblauen Mütze hervor. Sein Gesicht hatte feine Züge, war aber von einer starken Akne entstellt. Er saß vornübergebeugt auf einem Stuhl und fixierte die Spitzen seiner abgetragenen Stiefel.
Irene stand hinter dem Spiegel des Verhörzimmers und beobachtete Jonnys harten Kampf, Billy zum Reden zu bringen. Es war unsinnig.
Aus seiner eigenen Perspektive gesehen lief es gut für Billy. Er gab nämlich während des ganzen Verhörs keinen einzigen Laut von sich. Jede Frage des immer frustrierteren Jonny beantwortete er mit nichts als Schweigen. Nicht einmal als Jonny ihm das Strafmaß für die Straftaten, derer er bezichtigt wurde, nannte, die sich alles in allem auf mehrere Jahre hinter Schloss und Riegel beliefen, verzog er eine Miene.
Schließlich gab Jonny auf. Das passierte nur selten, aber jetzt war er auf jemanden gestoßen, dem er nicht das Wasser reichen konnte: einen kleinen schmächtigen Teenager, dem Flucht aus dem Gefängnis, Autodiebstahl, Fahrerflucht und fahrlässige Tötung zur Last gelegt wurde.
»Der kleine Scheißkerl scheint lobotomiert zu sein«, seufzte Jonny, als er mit Irene nach dem Verhör einen Kaffee trank.
Er musste vor
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