Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
kommen Sie darauf?«
    »Ich habe in ihrem Zimmer die Reste eines vergifteten Apfels gefunden. Für eine Ratte hat ein Bissen gereicht, um sie umzubringen.« Noch an dem Abend, als er vom Essen bei seinen Eltern zurückgekehrt war, hatte Julius die beiden Tiere tot im Käfig vorgefunden. »Ich denke, eine halbe Frucht dürfte eine gesunde junge Frau töten.«
    Der Wachtmeister brummte, schwieg dann eine ganze Weile nachdenklich. »Warum haben Sie Ihrem Vater nichts davon erzählt? Oder Schultheiß Hille?«
    »Weil man mir untersagt hat, mich der Sache anzunehmen.«
    »Ich fürchte, Sie schlagen das Verbot dennoch in den Wind?«
    »Ja«, gab Julius unumwunden zu. Noch immer beobachtete er die beiden Frauen, die ungeachtet des Segens, den der Pastor gerade sprach, munter die Köpfe zusammensteckten. »Es würde meinen Überzeugungen zutiefst widersprechen, mich blind und taub zu stellen.«
    »Es gehört zu Ihren Überzeugungen, Polizeyarbeit an sich zu reißen?«
    »Es gehört zu meinen Überzeugungen, offensichtliches Unrecht nicht einfach hinzunehmen, nur weil es bequemer wäre.«
    »Sie sollten mir das nicht so offen sagen«, brummelte Schmitt. »Sonst muss ich es Ihnen verbieten oder es dem Schultheißen melden.«
    »Aber das würden Sie nicht tun, oder?« Julius’ Blick wanderte wieder zum Grab, wo die Totengräber den Sarg nun langsam hinabließen. Doktor Wittgen hatte den Kopf gesenkt, aber Julius meinte zu erkennen, wie sich seine Finger in die Hutkrempe krallten. »Ich muss gehen. Haben Sie Dank für den Schirm.«
    »Nicht dafür«, murrte Schmitt und zog den Kopf fröstelnd zwischen die Schultern. »Ich gehe auch gleich, sobald hier alles vorbei ist. Bis bald, Herr Doktor.«
    Julius erwiderte den Gruß mit einem knappen Nicken und wandte sich ab, hinaus in den Regen. Ein trüber Tag in einer Stadt voller trüber Gestalten. Warum, zum Teufel, war er bloß zurück nach Marburg gekommen?
    *
    Sophie fror. Die letzten Tage hatten sie fast den herannahenden Winter vergessen lassen, sodass sie die Kälte des Novemberregens schlichtweg unterschätzt hatte. Zitternd schlug sie die Arme um den Oberkörper und trat unruhig auf und ab, bis ihr Anna, die einen Schirm mit ihr teilte, einen ungehalten Knuff in die Seite gab. Der Pastor war sonst dafür bekannt, dass er die Leute eilig unter die Erde brachte, bisweilen so hastig, dass die Trauernden kaum das ›Amen‹ zu Ende gesprochen hatten, ehe die erste Schaufel Erde auf den Sarg fiel. Doch heute ließ er sich Zeit, als wollte er damit den besonderen Todesumständen der jungen Frau Rechnung tragen.
    Sophies Blick glitt zu Julius, der sich gerade mit einem knappen Nicken von Wachtmeister Schmitt verabschiedete. Sie hatte ihn gleich erblickt, als er gekommen war, und sie wäre gerne zu ihm hinübergegangen und hätte ihm davon berichtet, was Wilhelm ihr erzählt hatte. Sie wusste um Hans’ Verehrung von Helene, aber sie hätte nie gedacht, dass es ihm so ernst war. Dass der picklige Junge deshalb etwas mit Helenes Tod zu tun haben sollte, konnte sie sich kaum vorstellen. Sie kannte den Sonnen-Hans von Kindheit an, verschlossen, ein stiller Bursche, der immer etwas abseits stand, aber nicht einmal einem Regenwurm etwas zu Leide getan hätte. Insgeheim hatte sie gehofft, nach der Beerdigung noch Gelegenheit zu haben, mit Julius zu reden, doch offensichtlich zog ihr Vetter es vor, ihr aus dem Weg zu gehen.
    Das Flüstern zwischen Katharina und Emilie Breuer hatte inzwischen selbst aus der Entfernung einen harten, zischenden Ton angenommen. Emilies Kopf zuckte vor, wenn sie etwas sagte, wie eine kampflustige Henne, während Katharina starr auf das Grab blickte. Sie schienen zu streiten.
    »Unmöglich«, murmelte Sophies Mutter. »Nicht einmal jetzt kann sich dieses Weib benehmen.«
    »Woher auch? Meine Mutter sagt, sie sei eine Wirtstochter aus Bebra«, flüsterte Anna. »Sie ist ja kaum älter als Helene. Kein Wunder, dass sie sich nicht leiden konnten.«
    »Für eine Wirtstochter ist sie ziemlich gerissen«, wisperte Sophie zurück. »Kennst du …
    »Still jetzt!«, zischte Sophies Mutter und bedachte die beiden mit einem missbilligenden Blick. »Zeigt ihr wenigstens etwas Anstand.«
    Sophie senkte den Kopf, aber ihr Blick wanderte verstohlen zurück zu Katharina und Emilie, die inzwischen aufgehört hatten zu streiten und mit starrer Miene das Ende der Liturgie abwarteten. Man musste kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass sich Katharinas Trauer in Grenzen hielt.

Weitere Kostenlose Bücher