Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Menschen würden das als ›Ehefrau‹ bezeichnen, Commander. Ich nehme an, Ihre würde sich in dieser Stellenbeschreibung sofort wiederfinden.«
»Wann haben Sie Ihre Tätigkeit aufgenommen?«
»Ungefähr eine halbe Stunde, nachdem wir uns zum ersten Mal begegneten. Sie kam nach einer Vorstellung hinter die Bühne - glücklicherweise war es die letzte Vorstellung. Eine Wiederaufnahme von Florodora im Gaiety-Theater - ach, das muss jetzt acht Jahre her sein. Damals war ich froh, dass man mir eine Stellung anbot. Obwohl ich es seitdem jeden einzelnen Tag bereut habe.«
Sie sprang auf die Beine, ging ins Schlafzimmer und kehrte mit einem gerahmten Foto zurück. »Das sind wir - das Ensemble. Ich bin die Zweite von rechts. Wir waren alle einen Meter sechzig groß und wogen sechzig Kilo. Und wir konnten natürlich alle singen und tanzen. Die sechs Mädchen aus der Originalproduktion haben angeblich alle Millionäre geheiratet … ich weiß, dass drei aus dieser Truppe«, sie wies auf das Foto, »es sehr gut getroffen haben. Diese hier, Phoebe, meine besondere Freundin, heiratete einen Lord.« Sie seufzte. »Ich hätte warten sollen. Es hätte sich schon etwas ergeben.«
Joe sah interessiert auf die lächelnden Tänzerinnen, Arm in Arm mit sechs passenden Begleitern mit Zylinder. Alle jung, unschuldig und reizend. Die Eröffnungszeile des Musicals kam ihm in den Sinn. Tell me pretty maiden, are there any more at home like you? Er erinnerte sich, dass die Antwort der Mädchen aus einer neckischen Bemerkung im Mayfair-Akzent bestanden hatte. Phoebe und, direkt neben ihr, Audrey. Voneinander nicht zu unterscheiden. Vor acht Jahren. Er fragte sich kurz, was Phoebe heute machte.
»Und wie werden Sie d,ie nächste Zukunft gestalten, Miss Blount?«
Sie seufzte und biss sich auf die Lippen, ihr Selbstvertrauen verebbte angesichts der sachlichen Frage. »Ich werde morgen abreisen. Ich gehe zurück nach London. Ich habe eine Schwester in Wimbledon, bei der ich eine Weile bleiben kann. Lange wird sie mich aber nicht bei sich aufnehmen wollen. Ich verstehe mich nicht mit dem Idioten, den sie geheiratet hat. Ich bin mittlerweile auch zu alt für die Bühne, obwohl ich mich fit gehalten habe - ich kann immer noch tanzen -, und ich habe auch noch meine Figur. Wahrscheinlich werde ich mir eine Stellung in einem Geschäft suchen … oder etwas kellnern … Kellnerin in einem Joe Lyons? Wie wäre es damit? Es heißt, die Trinkgelder seien nicht schlecht. Wer weiß?«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns eine Adresse geben könnten, unter der wir Sie erreichen, falls es nötig sein sollte.«
Audrey nickte und gab Armitage die Information, der sie notierte.
»Können Sie uns jetzt erzählen, was sich gestern zugetragen hat? Vielleicht fangen Sie mit dem Streit an, den Sie anscheinend mit Ihrer Arbeitgeberin hatten?«
»Ich kann mich nicht erinnern, worum es ging«, meinte sie zweifelnd. »Ich meine, was ihn ausgelöst hat. Im Grunde ging es darum, dass wir uns gegenseitig nicht länger ertragen konnten. Ich hatte genug von ihrer schlechten Laune und ihrer scharfen Zunge. Und sie wollte mich loswerden. ›Quengelig, fordernd und langweilig‹, sagte sie. Sie forderte mich auf, meine Sachen zu packen und zu verschwinden. Ich glaube, dieses Mal war es ihr ernst. Sie knallte mir ihr Ultimatum vor den Latz und fuhr in ihrem Chrysler nach London.«
»Was fühlten Sie, als Sie das hörten?«
»Ich war fuchsteufelswild. Ich nehme an, es gibt Zeugen im Haus, die Ihnen nur zu gern erzählen werden, dass ich durch das Gebäude stürmte und fluchte und brüllte und Dinge zerbrach. Das leugne ich nicht. Als ich mich ein wenig beruhigt hatte, beschloss ich, den alten Ford zu nehmen und selbst nach London zu fahren. Ich durfte ihn benutzen, nachdem sie den neuen Wagen gekauft hatte … Meinen Sie, dass ich ihn immer noch …? Ach, was soll’s. Ich bin ihr jedenfalls gefolgt. Ich wusste, wohin sie wollte. Während sie in aller Seelenruhe eine Suite im Ritz buchte, wurde ich auf die Straße gesetzt. Nach acht Jahren, Commander! Acht Jahre der Drangsal, ohne etwas vorweisen zu können, und zu spät, um mein Leben noch mal von vorn zu beginnen. Ich beschloss, sie zu töten.«
Joe rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl. »Haben Sie sie getötet?«
Er wurde von der Welle ihres Erstaunens überrumpelt.
»Wie? Was soll das? Natürlich nicht ! Wie können Sie das fragen? Haben Sie nicht Beas Mutter erzählt, dass sie von einem Einbrecher
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