Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
ihn Audrey. »Sagen Sie mir einfach, wer Sie sind. Und fühlen Sie sich wie zu Hause. Sie dürfen rauchen, wenn Sie wollen.«
Audrey Blount war keineswegs so, wie Joe erwartet hatte. Das war nicht die mausgraue, gefügige Kreatur, die mit einem Pekinesen unter einem Arm und ihrer Stickarbeit unter dem anderen herumlief. Sie war relativ klein, aber kräftig gebaut, eine ziemlich charmante Gestalt, dachte Joe, und sie besaß eine gewisse Präsenz. Die blonden Haare waren modisch in einem Herrenschnitt frisiert, der ein hübsches, wenn auch leicht rundes Puppengesicht mit etwas hervorstehenden grünen Augen umrahmte. Große und wachsame grüne Augen. Die breiten, rot bemalten Lippen waren zu einem wenig verlockenden, rebellischen Schmollmund verzogen.
»Ich bin Commander Joseph Sandilands, und ich leite die Ermittlungen im Mordfall von Dame Beatrice.« Er zeigte seine Dienstmarke.
»Dann war es also doch Mord? Die arme, alte Kuh! Kann aber nicht behaupten, dass sie das nicht verdient hätte«, lautete Audreys Form der Trauer. Ihre Katzenaugen fuhren mit Überraschung und Zustimmung über Joe hinweg, wie er fand. »Tja! Die Messlatte bei der Polizei scheint höher gelegt. Wer ist das denn?«
Joe bemerkte amüsiert, dass ihr Blick über seine Schulter gewandert war und nun mit schmeichelnder Aufmerksamkeit auf Bill ruhte. Er war nicht überrascht, das hatte er schon früher miterlebt. Verdammter Armitage! Was hatte dieser Kerl an sich, dass Frauen sich zu ihm hingezogen fühlten? Die ziselierten Gesichtszüge, die breiten Schultern, die schmalen Hüften waren sicher kein Nachteil, aber es war mehr als nur das. Wo Joe sich in Anwesenheit des schönen Geschlechts gezwungen fühlte, sich von seiner besten Seite zu zeigen, viel zu lächeln und geistreich zu plaudern, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, konnte Armitage einfach nur stumm und kummervoll dastehen, und schon scharten sie sich um ihn wie Wespen um einen Maulbeerbaum im Sommer. Bis er auf Westhorpe gestoßen war, versteht sich. Der Gedanke heiterte Joe wieder auf.
»Detective Sergeant Armitage, Madam«, stellte Bill sich steif vor.
»Netter Anzug, den Sie da tragen, Sergeant.«
Sie sah mit ungläubig aufgerissenen Augen auf Westhorpe, die jetzt nach vorn trat. »Hoppla! Das kann ich von Ihnen nicht gerade behaupten. Warum zwingt man Sie, diese entsetzliche, unvorteilhafte Savile-Row-Uniform zu tragen? Nehmen Sie doch wenigstens den Hut ab!«
Unsicher nahm Westhorpe den Hut ab. »Constable Westhorpe, Miss Blount. Ich unterstütze den CID in diesem speziellen Fall.«
Audrey betrachtete Westhorpe mit mehr als dem üblichen Interesse. Schließlich sagte sie: »Was soll das heißen ›in diesem speziellen Fall‹? Wollen Sie damit sagen, dass Sie persönlich in irgendeiner Hinsicht darin involviert sind, meine Liebe? Waren Sie eine von … kannten Sie Beatrice?«
»Constable Westhorpe hat die Leiche entdeckt.« Joe nahm den Faden der Unterhaltung entschlossen auf. »Vermutlich könnte man es also so ausdrücken.«
»Aha, ich verstehe. Dann waren Sie also im Hotel, als sie starb? Sie waren in ihrem Zimmer? Sie haben ihre Leiche gesehen?«
Westhorpe wurde es unter der Inspektion zunehmend unwohl, und sie sah hilfesuchend zu Joe.
»Die Fragen können Sie uns überlassen, Miss Blount. Wie wäre es, wenn wir uns setzen?«
Er sah sich um. Sie befanden sich in einem kleinen Wohnzimmer, von dem aus eine offene Tür den Blick in ein Schlafzimmer erlaubte. Ein leerer Koffer lag geöffnet auf dem Bett. Über einer Frisierkommode voll mit Tiegeln und Flakons hing ein großer Spiegel, der von einer Reihe Glühbirnen überschwänglich beleuchtet wurde. Audrey holte einen Stuhl aus dem Schlafzimmer, stellte ihn neben die beiden anderen im Wohnzimmer und lud sie mit einer Geste ein, sich in einer Reihe hinzusetzen. Sie ließ sich gegenüber auf einem Sofa nieder und harrte ihrer Fragen. Joe hatte plötzlich das Gefühl, sie würden in der vordersten Reihe im Theater sitzen.
»Wie ich hörte, waren Sie die Gesellschafterin von Dame Beatrice? Dadurch müssen Sie eine genaue Kenntnis ihres Lebens erlangt haben?«, fing Joe an.
»Ihres häuslichen Lebens, ja. Ich wurde allerdings nicht ermutigt, an ihrem beruflichen Leben Interesse zu bekunden. Ich wurde bezahlt, um hier zu sein, wenn sie aus London kam, mir ihr Klagen und Schwadronieren anzuhören, ihr ein Bad einzulassen, sie zu massieren und ihr zu versichern, wie wunderbar sie war. Sie kennen das ja … die meisten
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