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Die Tote im roten Cadillac

Die Tote im roten Cadillac

Titel: Die Tote im roten Cadillac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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mehr die reiche Mrs. Anderson; sie war nichts anderes mehr als ein armseliges Häufchen Frau — einsam, unglücklich und verzweifelt.
    Ich hätte viel darum gegeben, wenn ich in der Lage gewesen wäre, ihre Frage zu beantworten. Aber ich wußte keine Antwort. Mich würgte irgend etwas in der Kehle.
    Ich beugte mich zu ihr hinunter, nahm ihre Hand und küßte sie.
    »Leben Sie wohl, gnädige Frau.«
    Während ich das Zimmer verließ, war mir zumute, als hätte mich jemand geohrfeigt.
    Draußen in der Halle wartete Audrey auf mich.
    Sie zwinkerte mit den Augen und sagte leise:
    »Na — ist sie geplatzt?«
    Ich nahm sie bei der Hand und ging mit ihr hinaus, über die Terrasse, in den Garten.
    »Kindchen«, sagte ich. »Es kommt manchmal anders, als man denkt.«
    Ich erzählte ihr alles, wie es gewesen war.
    Als ich geendet hatte, schaute mich Audrey eine Weile nachdenklich und schweigend an. Schließlich sagte sie:
    »Wir haben unsere Mutter noch gekannt, bevor sie starb. Wahrscheinlich haben wir niemals darüber nachgedacht, wie schwer wir es Lydia gemacht haben. Ich habe überhaupt noch nicht darüber nachgedacht, daß Lydia eine Mutter ist. Glauben Sie, daß sie es gerne hätte, wenn ich jetzt zu ihr hineinginge?«
    Ich nickte ihr zu.
    »Ich glaube schon, Audrey.«
    »Danke, Randy«, sagte sie. »Danke für alles!«
    Sie schwieg und schaute mich erwartungsvoll an. Sie sah auf einmal gar nicht mehr aus wie ein Fratz, und ihr kleines Gesicht war nicht mehr das freche Gesicht eines Gassenjungen. Sie sah aus wie eine junge Frau, die nach der ersten Nacht der Erfüllung die Augen aufschlägt. Sie war keine siebzehn Jahre mehr.
    Ich dachte, sie wolle noch etwas sagen, und ich hatte Angst davor. Aber plötzlich drehte sie sich um und lief zum Haus.
    Ich ging zu meinem Wagen und fuhr langsam davon. Die Sache mit den fünftausend Dollar war erledigt; der Auftrag, den ich von Olivia bekommen hatte, war damit auch erledigt. Aber noch lief der Auftrag, den ich mir selber erteilt hatte: Ich mußte den Mörder Olivias finden.
    Und vor allem: Ich mußte zusehen, meinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu bekommen.
    Bei diesem Gedanken verflog das bißchen Sentimentalität, das gerade vorhin in mir aufgestiegen war. Wir Detektive haben keine Zeit, Mensch zu sein — wir sind nichts anderes als widerliche Schnüffler.

11

    Unterwegs hielt ich an einem italienischen Restaurant an, ging hinein und bestellte mir ein junges gebratenes Hähnchen, das als Spezialität angepriesen wurde.
    Ich hatte noch Zeit, meinen Freund Ronald, Skandalreporter bei den »Evening News«, anzurufen. Natürlich wußte er schon von der ganzen Geschichte.
    Ich bat ihn, mir möglichst viel Material zu sammeln, und zwar über Cecil B. Anderson, über seine erste Frau und woran sie gestorben war, über seine zweite Frau, mit wem sie vorher verheiratet und warum sie es nicht mehr war, über Robby Lermouth, über Olivia, über Grace und Eddie C. Carson, über Audrey, deren Skandale mich besonders zu interessieren anfingen, und zum Schluß noch über Lloyd Webster.
    Er versprach mir, sein Möglichstes zu tun.
    »Bis morgen vormittag, Ronny, brauche ich den ganzen Kram.«
    »Und was bezahlst du dafür?« wollte er wissen. »Ich muß die ganze Nacht arbeiten, um das zusammenzukriegen.«
    »Du bekommst dafür von mir den Exklusiv-Bericht über den Mordfall Olivia Anderson. Einverstanden?«
    »Einverstanden. Bis morgen früh!«
    Das Hähnchen war inzwischen fertig, aber mein Hunger war nicht groß. Dazu kam noch, daß es sich bei diesem Gockel um einen alten, ausgedienten Infanteristen gehandelt haben mußte, der noch nach seinem Tode meinen Zähnen härtesten Widerstand entgegensetzte. Außerdem war das Biest so versalzen, daß ich drei Gläser Bier dazu trinken mußte.
    Für das Ganze bezahlte ich einen Preis, der mich vermuten ließ, daß ich soeben eins der Lieblingshühner des seligen Kaisers Augustus verspeist hatte. Dann kletterte ich, nicht gerade in allerbester Laune, in meinen Wagen. Nachdem ich mir aber eine Pfeife gestopft hatte und langsam in Richtung meines Wigwams rollte, stieg mein Stimmungsbarometer wieder.
    Ich habe die Angewohnheit, meinen Wagen stets auf der Rückseite des IBM-Hauses zu parken, da der zweite Aufgang, der nicht am Portier vorbeiführt, mit einem Schnappschloß versehen ist, so daß man ohne Schlüssel von innen hinaus kann. Der Haupteingang beim Portier ist ab zehn Uhr abends so verrammelt, daß man ohne zwei Schlüssel nicht

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