Die Tote im roten Cadillac
Geld haben, dann müßten Sie doch auch wissen, wer es gestohlen hat.«
»Das weiß ich auch. Aber es war nicht Lloyd Webster.«
Sie dachte angestrengt nach. Plötzlich funkelten mich ihre Augen bösartig an.
»Ha!« rief sie. »Jetzt weiß ich’s! Sie haben ihn gewarnt! Sie stecken mit ihm unter einer Decke!«
»Und wenn es so wäre, Mrs. Anderson?«
»Dann muß ich das erst recht der Polizei melden. Das geht doch wirklich zu weit. Jetzt verstehe ich auch, weshalb Lloyd unbedingt wollte, daß ich Sie empfange. Jetzt begreife ich, weshalb er mir einredete, Sie wären ein Detektiv!«
»Nichts verstehen Sie«, sagte ich. »Aber nun frage ich Sie nochmals: warum hassen Sie Lloyd so sehr?«
»Sie sind ein unverschämter Mensch.«
»Mag sein, Mrs. Anderson. Aber warum sind Sie so empört, daß Lloyd nicht gestohlen hat? Und warum interessiert es Sie überhaupt nicht, wer das Geld wirklich genommen hat?«
»Weil ich weiß, daß Lloyd es war, und alles, was Sie mir nun noch sagen können, wird gelogen sein.«
»Auch die Sturheit ist ein Geschenk Gottes. Wohl dem, der sie besitzt. Mit den fünftausend Dollar hat Ihr hoffnungsvoller Sohn Robby seine Spielschulden in Santa Monica bezahlt.«
Sie fuhr auf, als hätte sie jemand mit einer Nadel in die Rückseite gestochen.
»Was!« schrie sie. »Sie erdreisten sich auch noch, zu behaupten, Robby sei ein Dieb?«
»Nein«, sagte ich ruhig. »Das habe ich nicht gesagt.«
Einen Moment stutzte sie verwirrt.
»Äh — wieso? Sie sagten doch eben ...«
»Ich sagte, mit dem Geld hat Robby seine Spielschulden bezahlt — aber ich sagte nicht, daß er das Geld selber gestohlen hat. Dazu war er nämlich zu feige. Er hat das jemand anderen besorgen lassen. Robby, dieser Musterknabe, hat seiner zukünftigen Frau so lange die Ohren vollgeheult, bis sie das Geld genommen und ihm gegeben hat. Ich nehme an, daß Sie größte Hochachtung vor einem Mädchen haben, das bereit ist, zu stehlen, wenn es um die Ehre ihres zukünftigen Mannes geht.«
Sie sank erschöpft in ihren Sessel zurück.
»Audrey hat das Geld genommen?« fragte sie.
»Ja. Sie hat es genommen und Robby gegeben, und Robby hat damit in Santa Monica seine Schulden bezahlt. Das ist alles.«
»Audrey ist eine unmögliche Person!«
»Aber sie bringt Ihrem Sohn drei Millionen mit in die Ehe.«
Sie rutschte nervös in ihrem Sessel hin und her.
»Lassen wir das«, sagte sie müde. »Haben Sie noch Honorar zu beanspruchen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, die fünfhundert genügen. Ich konnte Ihnen ja den Beweis nicht bringen, den Sie haben wollten.«
»Ja — aber Sie haben doch...«
»Ich habe nichts. Aber ich werde Lloyd Bescheid sagen, daß er sich künftig in acht nimmt.«
Sie sprang auf und kam um das Tischchen herum, bis sie dicht vor mir stand.
»Tun Sie das bitte nicht«, sagte sie, und ihre Stimme klang sonderbar gepreßt. »Es ist mir so peinlich.«
»Hinterher ist es einem immer peinlich. Heute morgen war es Ihnen gar nicht peinlich.«
»Ach Gott, man kann sich ja mal irren, nicht? Sie dürfen es ihm auf keinen Fall sagen. Versprechen Sie mir das?«
»Sie meinen, Ihre Chancen würden dadurch noch geringer werden, was?«
Sie schnappte nach Luft, und dann drehte sie sich um. Ich war vielleicht etwas zu weit gegangen, und mir war nicht recht wohl in meiner Haut.
Sie ließ sich in den Sessel fallen und verbarg ihr Gesicht. Sie weinte. Es war das echte, heilige Weinen einer unglücklichen Frau.
Ich ging zu ihr und streichelte ihr ganz sachte über die Schulter. Leise sagte ich:
»Immer noch haben Sie einen großen Vorteil. Denn auch der
Schmerz ist eine Gnade. Es gibt so viele Menschen, die nicht einmal den Schmerz mehr fühlen dürfen. Kann ich jetzt gehen?«
Sie umklammerte meine Hand.
»Bleiben Sie«, schluchzte sie. »Bleiben Sie noch da. Es ist ja alles so gräßlich. Cecil — Mr. Anderson — kümmert sich nicht um mich. Grace, Olivia und Audrey — die kümmern sich auch nicht um mich. Sie können mich nicht leiden — vom ersten Tage an, als ich in dieses Haus kam, haben sie mich nicht gemocht! Ich habe nur noch Robby, nur noch Robby. Ich weiß, daß das wahr ist, was Sie über Robby gesagt haben. Er ist schwach und haltlos, und er tut Dinge, die nicht richtig sind. Ich weiß das ja alles. Aber — was soll ich tun? Er ist doch mein Junge, und er ist das einzige, was ich noch habe! Was soll ich denn tun, Mister Rodney? Sagen Sie mir’s doch!«
Sie schaute mich an, und sie war nicht
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