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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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hätten sie sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt. Au‐
    ßerdem hätte sie von selbst angefangen, um Hilfe zu rufen, wenn sie
    in der Klemme wäre.« Ich schnippte gegen das blauweiße Tele‐
    gramm. »Und das Ding hier ist einen Monat alt. Wenn das, was Sie
    befürchten, etwa um diese Zeit passiert wäre, die Sache wäre jetzt längst erledigt. Da sie ja nicht vorbestraft ist, wäre sie mit einer Verwarnung und einer auf Bewährung ausgesetzten Strafe davon-gekommen.«
    Er goß sich einen weiteren Drink ein, gegen seine Sorgen. »Das be‐
    ruhigt mich«, sagte er.
    »Es könnte ’ne ganze Menge anderer Dinge passiert sein«, sagte ich. »Nehmen wir mal an, sie ist mit Lavery abgehauen, und die beiden haben sich dann verkracht. Oder sie ist mit einem anderen Mann auf und davon und hat sich mit dem Telegramm nur einen
    Witz geleistet. Oder sie ist allein oder mit ’ner ändern Frau weg.
    Oder sie hat sich so vollaufen lassen, daß sie jetzt in irgendeinem Sanatorium liegt und eine Entziehungskur macht. Oder sie steckt in
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    irgend ’ner Klemme, von der wir keine Ahnung haben. Sie könnte in
    krumme Sachen verwickelt sein.«
    »Guter Gott, sagen Sie so was nicht!« rief Kingsley aus.
    »Warum nicht? Sie sollten mit allem rechnen. Ich habe nur ’ne ziemlich verschwommene Vorstellung von Mrs. Kingsley – daß sie
    jung, hübsch, unberechenbar und ziemlich scharf ist. Daß sie trinkt
    und krumme Dinger riskiert, wenn sie trinkt. Daß sie’s den Männern nicht gerade schwer macht und sich mit jemand eingelassen haben könnte, der sich als Ganove entpuppte. Stimmt das in etwa?«
    Er nickte: »Jedes Wort.«
    »Wieviel Geld, denken Sie, hat sie bei sich?«
    »Sie hat es gern, wenn sie genug bei sich hat. Sie hat ihre eigene Bank und ihr eigenes Konto. Sie kann jeden Betrag abheben.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    »Haben Sie Vollmacht für die Geschäfte Ihrer Frau?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie macht ja keine außer Schecks einlösen,
    Geld abheben und es verpulvern. Sie hat noch nie auch nur einen Pfennig investiert. Und ich habe von ihrem Geld noch nie den geringsten Vorteil gehabt, wenn Sie das meinen.« Nach einer Pause fuhr er fort: »Glauben Sie nicht, daß ich es nicht versucht hätte. Ich
    bin auch nur ein Mensch und finde es überhaupt nicht witzig, wenn
    man zusehen muß, wie 20.000 Dollar jedes Jahr den Bach runterge‐
    hen und nicht mehr dabei herausschaut als diverse Kater und Lieb‐
    haber von der Sorte Chris Laverys.« , »Wie stehen Sie mit ihrer Bank? Könnten Sie erfahren, was sie im einzelnen während der letzten zwei Monate abgehoben hat?«
    »Nein, das würden die mir nie sagen. Ich habe das schon einmal versucht. Damals dachte ich, daß sie erpreßt würde. Man hat mich eiskalt abfahren lassen.«
    »Wir könnten das schon rauskriegen«, sagte ich. »Und vielleicht 16
    bleibt uns gar nichts andres übrig. Das würde bedeuten, daß wir eine Vermißtenanzeige aufgeben müßten. Ihnen würde das wohl
    kaum schmecken?«
    »Wenn ich das gewollt hätte, wozu hätte ich Sie dann rufen sollen«, sagte er.
    Ich nickte, sammelte meinen Kram zusammen und steckte ihn in
    die Tasche. »Im Augenblick können wir uns ja noch nicht mal alle Möglichkeiten ausmalen«, sagte ich. »Aber ich werde mal damit
    anfangen, daß ich mich mit Lavery unterhalte und dann zum Little
    Fawn Lake fahre, um dort herumzufragen. Ich brauche Laverys
    Adresse und ein paar Zeilen für den Mann, der sich um Ihr Anwe‐
    sen kümmert.«
    Er nahm einen Briefbogen aus seinem Schreibtisch, schrieb ein
    paar Zeilen und reichte sie mir rüber. Sie lauteten: »Lieber Bill! Der
    Überbringer dieses Briefes ist Mr. Philip Marlowe, der sich gern mein Anwesen anschauen möchte. Bitte zeigen Sie ihm das Haus
    und helfen Sie ihm auf jede nur mögliche Weise. Ihr Derace Kings‐
    ley.«
    Ich faltete das Schreiben und steckte es in den Umschlag, den er geschrieben hatte, während ich es las. »Wie steht’s mit den anderen
    beiden Häusern?« fragte ich.
    »Bis jetzt ist in diesem Jahr kein Mensch oben. Einer der beiden arbeitet für die Regierung in Washington. Der andere ist in Fort Leavenworth. Beide haben ihre Frauen bei sich.«
    »Und jetzt noch die Adresse von Lavery«, sagte ich.
    Er blickte zu einem Punkt, der hoch über meinem Kopf zu liegen
    schien. »Er wohnt in Bay City. Ich könnte Ihnen das Haus zeigen, aber die Adresse habe ich vergessen. Ich denke aber, daß Miss Fromsett sie Ihnen geben kann. Sie braucht nicht zu

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