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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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ist gar nichts passiert. Dann setzte sich das Prescott
    Hotel in San Bernardino mit mir in Verbindung und teilte mir mit,
    daß ein Packard‐Sportwagen, zugelassen auf den Namen Crystal
    Grâce Kingsley und auf meine Adresse angemeldet, in ihrer Garage
    stehe und was es damit auf sich habe. Ich sagte ihnen, sie sollten den
    Wagen behalten und schickte einen Scheck. Auch daran war eigent‐
    lich nichts Besonderes. Ich dachte, daß sie immer noch in Mexiko sei
    und daß die beiden, falls sie mit dem Auto rübergefahren sind, si-cherlich seinen Wagen genommen haben. Vorgestern jedoch traf ich
    Lavery vor dem Athletic Club, hier gleich um die Ecke. Er sagte mir,
    daß er keine Ahnung habe, wo Crystal wäre.«
    Kingsley warf mir einen kurzen Blick zu, griff eine Flasche und stellte zwei farbige Gläser auf den Tisch. Er goß ein und reichte mir
    ein Glas. Während er sein Glas gegen das Licht hielt, sagte er lang‐
    sam:
    »Lavery hat mir gesagt, daß er nicht mit ihr nach Mexiko gefahren
    sei, daß er sie während der letzten zwei Monate überhaupt nicht gesehen habe, ja daß er überhaupt keinen Kontakt zu ihr hatte.«
    Ich sagte: »Sie haben ihm das geglaubt?«
    Er nickte, indem er die Stirne runzelte. Dann trank er sein Glas leer
    und schob es heftig zur Seite. Ich probierte an meinem. Es war Scotch. Kein sehr guter Scotch.
    »Ja, ich hab ihm das geglaubt«, sagte Kingsley. »Und vielleicht war
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    das falsch. Aber ich tat’s nicht etwa, weil er ein besonders ehrlicher
    Kunde ist, im Gegenteil. Ich tat’s, weil sich dieser miese Hurensohn
    für besonders schlau hält, wenn er die Frauen seiner Freunde aufs Kreuz legt und damit auch noch angibt. Ich glaube, er hätte sich ein
    Bein ausgerissen, nur um mir den Stich versetzen zu können, daß meine Frau mit ihm durchgebrannt ist und mich sitzengelassen hat.
    Ich kenne diese Böcke, und ich kenne besonders diesen einen nur zu
    gut. Er hat eine Weile für uns gearbeitet und war dabei immer ganz
    schön in Schwierigkeiten, weil er seine Finger nicht von den diver‐
    sen Sekretärinnen lassen konnte. Außerdem hab ich ihm von dem
    Telegramm aus El Paso erzählt, warum also sollte er glauben, daß es
    sich lohnt, die ganze Sache zu bestreiten.«
    »Vielleicht hat sie ihn eingetauscht«, sagte ich. »Das hätte seine empfindlichste Stelle erwischt – seinen Casanova‐Stolz.«
    Kingsleys Gesicht hellte sich ein wenig auf, aber es war kaum der
    Rede wert. Er schüttelte den Kopf: »Ich glaube ihm trotzdem zu mehr als fünfzig Prozent«, sagte er. »Sie sollen beweisen, daß ich mich irre. Das ist ein Grund, warum ich Sie engagiere. Aber es gibt
    noch einen Punkt, der mir Sorgen macht. Ich habe eine gute Stellung
    hier, aber es ist eben nur eine Stellung. Ich kann keinen Skandal brauchen. Ich würde hier sehr schnell rausfliegen, wenn meine Frau
    im Zusammenhang mit der Polizei erwähnt würde.«
    »Mit der Polizei?«
    »Neben ihren anderen aparten Beschäftigungen«, sagte Kingsley
    bitter, »findet meine Gattin es gelegentlich schick, Sachen unbezahlt
    aus Warenhäusern mitgehen zu lassen. Ich glaube, es ist eine Art Größenwahn, dem sie verfällt, wenn sie gerade zu tief in die Flasche
    gestiegen ist. Aber es kommt eben vor, und wir hatten ein paar ziemlich unerfreuliche Auftritte in Büros von Geschäftsführern. Bis jetzt ist es mir immer gelungen, sie ohne Anzeige herauszuboxen, aber wenn sie so was in einer fremden Stadt macht, wo niemand sie
    kennt« – er hob seine Hände und ließ sie mit einem Klatschen auf 14
    den Tisch fallen – »könnte sie im Gefängnis landen, oder?«
    »Hat man schon mal ihre Fingerabdrücke registriert?«
    »Sie ist noch nie festgenommen worden«, sagte er.
    »Das meine ich nicht. Manche Kaufhäuser machen es zu einer Be‐
    dingung, wenn sie jemand laufen lassen, nachdem sie ihn erwischt haben, daß er ihnen seine Fingerabdrücke für die Kartei geben muß.
    Das schreckt die Gelegenheitsdiebe und versorgt die Kaufhäuser für
    ihr Sicherheitssystem außerdem mit Unterlagen über die Kleptoma‐
    nen. Wiederholen sich die Fingerabdrücke in mehreren Fällen, ist der Betreffende dran.«
    »Soweit ich weiß, war das nie der Fall«, sagte er.
    »Also gut. Ich glaube, wir können die Kaufhausklauerei im Mo‐
    ment vergessen«, sagte ich. »Wenn man sie verhaftet hätte, dann hätte man auch rausgefunden, wer sie ist. Selbst wenn ihr die Bullen
    erlaubt hätten, mit einem Lieschen‐Müller‐Namen im Polizeibericht
    zu erscheinen,

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