Die Tote im See
ist gar nichts passiert. Dann setzte sich das Prescott
Hotel in San Bernardino mit mir in Verbindung und teilte mir mit,
daß ein Packard‐Sportwagen, zugelassen auf den Namen Crystal
Grâce Kingsley und auf meine Adresse angemeldet, in ihrer Garage
stehe und was es damit auf sich habe. Ich sagte ihnen, sie sollten den
Wagen behalten und schickte einen Scheck. Auch daran war eigent‐
lich nichts Besonderes. Ich dachte, daß sie immer noch in Mexiko sei
und daß die beiden, falls sie mit dem Auto rübergefahren sind, si-cherlich seinen Wagen genommen haben. Vorgestern jedoch traf ich
Lavery vor dem Athletic Club, hier gleich um die Ecke. Er sagte mir,
daß er keine Ahnung habe, wo Crystal wäre.«
Kingsley warf mir einen kurzen Blick zu, griff eine Flasche und stellte zwei farbige Gläser auf den Tisch. Er goß ein und reichte mir
ein Glas. Während er sein Glas gegen das Licht hielt, sagte er lang‐
sam:
»Lavery hat mir gesagt, daß er nicht mit ihr nach Mexiko gefahren
sei, daß er sie während der letzten zwei Monate überhaupt nicht gesehen habe, ja daß er überhaupt keinen Kontakt zu ihr hatte.«
Ich sagte: »Sie haben ihm das geglaubt?«
Er nickte, indem er die Stirne runzelte. Dann trank er sein Glas leer
und schob es heftig zur Seite. Ich probierte an meinem. Es war Scotch. Kein sehr guter Scotch.
»Ja, ich hab ihm das geglaubt«, sagte Kingsley. »Und vielleicht war
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das falsch. Aber ich tat’s nicht etwa, weil er ein besonders ehrlicher
Kunde ist, im Gegenteil. Ich tat’s, weil sich dieser miese Hurensohn
für besonders schlau hält, wenn er die Frauen seiner Freunde aufs Kreuz legt und damit auch noch angibt. Ich glaube, er hätte sich ein
Bein ausgerissen, nur um mir den Stich versetzen zu können, daß meine Frau mit ihm durchgebrannt ist und mich sitzengelassen hat.
Ich kenne diese Böcke, und ich kenne besonders diesen einen nur zu
gut. Er hat eine Weile für uns gearbeitet und war dabei immer ganz
schön in Schwierigkeiten, weil er seine Finger nicht von den diver‐
sen Sekretärinnen lassen konnte. Außerdem hab ich ihm von dem
Telegramm aus El Paso erzählt, warum also sollte er glauben, daß es
sich lohnt, die ganze Sache zu bestreiten.«
»Vielleicht hat sie ihn eingetauscht«, sagte ich. »Das hätte seine empfindlichste Stelle erwischt – seinen Casanova‐Stolz.«
Kingsleys Gesicht hellte sich ein wenig auf, aber es war kaum der
Rede wert. Er schüttelte den Kopf: »Ich glaube ihm trotzdem zu mehr als fünfzig Prozent«, sagte er. »Sie sollen beweisen, daß ich mich irre. Das ist ein Grund, warum ich Sie engagiere. Aber es gibt
noch einen Punkt, der mir Sorgen macht. Ich habe eine gute Stellung
hier, aber es ist eben nur eine Stellung. Ich kann keinen Skandal brauchen. Ich würde hier sehr schnell rausfliegen, wenn meine Frau
im Zusammenhang mit der Polizei erwähnt würde.«
»Mit der Polizei?«
»Neben ihren anderen aparten Beschäftigungen«, sagte Kingsley
bitter, »findet meine Gattin es gelegentlich schick, Sachen unbezahlt
aus Warenhäusern mitgehen zu lassen. Ich glaube, es ist eine Art Größenwahn, dem sie verfällt, wenn sie gerade zu tief in die Flasche
gestiegen ist. Aber es kommt eben vor, und wir hatten ein paar ziemlich unerfreuliche Auftritte in Büros von Geschäftsführern. Bis jetzt ist es mir immer gelungen, sie ohne Anzeige herauszuboxen, aber wenn sie so was in einer fremden Stadt macht, wo niemand sie
kennt« – er hob seine Hände und ließ sie mit einem Klatschen auf 14
den Tisch fallen – »könnte sie im Gefängnis landen, oder?«
»Hat man schon mal ihre Fingerabdrücke registriert?«
»Sie ist noch nie festgenommen worden«, sagte er.
»Das meine ich nicht. Manche Kaufhäuser machen es zu einer Be‐
dingung, wenn sie jemand laufen lassen, nachdem sie ihn erwischt haben, daß er ihnen seine Fingerabdrücke für die Kartei geben muß.
Das schreckt die Gelegenheitsdiebe und versorgt die Kaufhäuser für
ihr Sicherheitssystem außerdem mit Unterlagen über die Kleptoma‐
nen. Wiederholen sich die Fingerabdrücke in mehreren Fällen, ist der Betreffende dran.«
»Soweit ich weiß, war das nie der Fall«, sagte er.
»Also gut. Ich glaube, wir können die Kaufhausklauerei im Mo‐
ment vergessen«, sagte ich. »Wenn man sie verhaftet hätte, dann hätte man auch rausgefunden, wer sie ist. Selbst wenn ihr die Bullen
erlaubt hätten, mit einem Lieschen‐Müller‐Namen im Polizeibericht
zu erscheinen,
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