Die Tote in der Bibliotek
grauen Hosen und dem smaragdgrünen Pullover sogar einen etwas schmuddeligen Eindruck.
«Guten Morgen», sagte Miss Marple munter. «Kann ich einen Moment hereinkommen?» Zugleich trat sie auch schon ins Haus, so dass der etwas erstaunten Dinah gar keine Zeit zum Reagieren blieb.
«Haben Sie vielen Dank.» Miss Marple strahlte sie liebenswürdig an und nahm vorsichtig in einem «antiken» Bambussessel Platz.
«Warm für die Jahreszeit, nicht wahr?», fuhr sie, noch immer überströmend herzlich, fort.
«Ja, doch, ziemlich.» Dinah Lee wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, klappte in ihrer Ratlosigkeit ein Etui auf und hielt es der Besucherin hin. «Äh – Zigarette?»
«Haben Sie vielen Dank, ich rauche nicht. Ich komme nur vorbei, um zu fragen, ob Sie nicht einen Beitrag zu dem Basar nächste Woche leisten möchten.»
«Basar?», wiederholte Dinah Lee, als wüsste sie nicht, was das sei.
«Im Pfarrhaus. Nächsten Mittwoch.»
«Ach so!» Der Mund blieb ihr offen stehen. «Tut mir Leid, aber ich glaube nicht, dass ich…»
«Nicht einmal eine kleine Spende, eine halbe Krone vielleicht?» Miss Marple präsentierte ihr das Heft.
«Oh, äh, doch, ja, das könnte gehen.» Das Mädchen schien erleichtert. Sie drehte sich um und kramte in ihrer Handtasche.
Miss Marple sah sich mit scharfem Blick im Zimmer um. «Sie haben ja gar keinen Kaminvorleger», sagte sie.
Dinah Lee wandte sich ihr wieder zu und starrte sie an. Es konnte ihr nicht entgehen, wie überaus interessiert die alte Dame sie musterte, aber alles, was sie empfand, war ein Anflug von Ärger, der Miss Marple jedoch nicht verborgen blieb.
«Das ist nicht ungefährlich», sagte Miss Marple. «Die Funken können Löcher in den Teppich brennen.»
Komische Alte, dachte Dinah, sagte aber einigermaßen freundlich, wenn auch recht vage: «Da lag auch immer einer. Ich weiß nicht, wo der hingekommen ist.»
«So ein flauschiger, wolliger?»
«Schaffell. Sah jedenfalls so aus.» Die Sache begann Dinah Spaß zu machen. Verschrobene alte Tante, diese Miss Marple. «Hier», sagte sie und gab ihr eine halbe Krone.
«Oh, vielen Dank, meine Liebe.»
Miss Marple schlug ihr Heft auf. «Äh – und welchen Namen darf ich notieren?»
Ein harter, verachtungsvoller Ausdruck trat in Dinahs Augen. Neugierige alte Hexe, dachte sie, nur deswegen ist sie gekommen – um hier herumzuschnüffeln! Damit sie was zu tratschen hat!
«Miss Dinah Lee», sagte sie überdeutlich und mit hämischem Vergnügen.
Miss Marple sah sie ruhig an. «Ist das hier nicht Mr. Basil Blakes Haus?», fragte sie.
«Ja, und ich bin Miss Dinah Lee!», erwiderte das Mädchen herausfordernd. Sie warf den Kopf zurück, und ihre blauen Augen blitzten.
Miss Marple sah sie fest an und sagte: «Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen einen Rat gebe, auch wenn es Ihnen zudringlich erscheinen mag?»
«Es erscheint mir zudringlich. Sie lassen’s besser bleiben.»
«Ich werde trotzdem sprechen. Ich möchte Ihnen raten, dringend raten, hier im Dorf nicht mehr Ihren Mädchennamen zu benutzen.»
Dinah starrte sie an. «Wieso denn das?»
«Sie werden schon sehr bald alles Wohlwollen und alle Sympathie brauchen, die Sie bekommen können», antwortete Miss Marple ernst. «Auch für Ihren Mann wird es wichtig sein, dass man eine gute Meinung von ihm hat. In rückständigen ländlichen Gegenden haben die Leute Vorurteile gegen Paare, die unverheiratet zusammenleben. Ich nehme an, Sie beide machen sich einen Spaß daraus, so zu tun, als ob. Außerdem hält es die Leute fern, und Sie werden nicht von ‹alten Schachteln› belästigt, wie Sie es sicher nennen würden. Aber alte Schachteln haben auch ihre Vorteile.»
«Woher wissen Sie, dass wir verheiratet sind?», fragte Dinah.
Miss Marple lächelte ablehnend. «Ach, meine Liebe…», sagte sie.
«Woher wissen Sie’s?», beharrte Dinah. «Waren Sie auf dem Einwohneramt?»
Ein Funke blinkte in Miss Marples Augen. «Auf dem Einwohneramt? Aber nein. Es war nicht schwer zu erraten. In einem Dorf spricht sich alles herum, wissen Sie. Ihre, äh, Ihre Streitigkeiten – typisch für eine junge Ehe. Unwahrscheinlich, ganz und gar unwahrscheinlich in einer wilden Ehe. Es heißt doch – und ganz zu Recht, finde ich –, dass man sich über den anderen erst richtig ärgern kann, wenn man mit ihm verheiratet ist. Ohne – ohne Trauschein sind die Menschen viel vorsichtiger. Sie müssen sich ja immerfort versichern, wie glücklich sie miteinander sind und dass alles
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