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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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da.«
    »Sch... Hoffentlich war es nicht der Putztrupp. Wann haben Sie sie zum letztenmal gesehen?«
    »Gleich nachdem Lucy sie mir gegeben hat, das heißt kurz vor Weihnachten. Sie wollte sie nicht mit nach Miami nehmen. Ich habe sie Ihnen gezeigt, erinnern Sie sich? Und dann habe ich sie in meinen Schrank gelegt, weil ich sie nicht unten aufbewahren wollte.«
    Rose blickte grimmig drein. »Ich weiß, was Sie denken. Uh.« Sie schauderte. »Was für ein grausliger Gedanke.«
    Ich zog einen Stuhl heran und setzte mich. »Der Gedanke, daß er so etwas mit meinen Messern macht -«
    »Daran dürfen Sie nicht denken«, unterbrach sie mich. »Sie haben keine Kontrolle über das, was er tut.«
    Ich starrte ins Leere.
    »Ich mache mir Sorgen um Jennifer«, sagte sie nach einer Weile.
    Jennifer war eine Angestellte, die Fotos sortierte, Telefonanrufe beantwortete und die Daten der Todesfälle in den Computer eingab.
    »Sie hat ein Trauma.«
    »Von dem, was hier passiert ist«, vermutete ich.
    Rose nickte. »Sie war heute lange auf der Toilette und hat geweint. Natürlich ist es schrecklich, was hier passiert ist. Außerdem zirkulieren viele Gerüchte. Aber sie ist wesentlich mehr durcheinander als alle anderen. Ich hab versucht, mit ihr zu reden. Ich fürchte, sie wird kündigen.« Sie bewegte die Maus und drückte auf eine Taste. »Ich werde die Autopsieprotokolle für Sie ausdrucken.«
    »Haben Sie beide schon geschrieben?«
    »Ich war heute früh da. Mein Wagen hat Vierradantrieb.«
    »Ich werde mit Jennifer sprechen«, sagte ich.
    Ich ging den Flur entlang und warf einen Blick in den Computerraum. Lucy saß wie hypnotisiert vor einem Bildschirm. Ich wollte sie nicht stören. Weiter vorn beantwortete Tamara einen Anruf, während zwei andere Telefone klingelten, und ein drittes blinkte. Cleta fotokopierte, und Jo gab die Daten von Totenscheinen ein.
    Ich ging den Flur wieder zurück und drückte die Tür zur Damentoilette auf. Jennifer stand vor einem Waschbecken und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser.
    »Oh!« rief sie, als sie mich im Spiegel sah. »Hallo, Dr. Scarpetta.« Sie wirkte nervös und verlegen.
    Sie war eine unscheinbare junge Frau, die ihr Leben lang mit Gewichtsproblemen würde kämpfen müssen und mit Kleidern, die sie verbargen. Sie hatte Froschaugen, vorstehende Zähne und fliegendes Haar, und sie trug das Makeup zu dick auf.
    »Bitte, setzen Sie sich doch«, sagte ich freundlich und deutete auf einen roten Plastikstuhl.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich kann heute nicht richtig arbeiten.
    Ich setzte mich neben sie. »Sie sind durcheinander.«
    Sie biß sich auf die Unterlippe, damit sie aufhörte zu zittern, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf und begann zu schluchzen. »Ich kann nicht aufhören. Ich kann einfach nicht aufhören zu weinen. Und wenn jemand auch nur seinen Stuhl verrückt, zucke ich zusammen.« Mit einem Papierhandtuch wischte sie sich die Tränen ab, ihre Hände zitterten. »Vielleicht werde ich verrückt.«
    »Wann hat es angefangen?«
    Sie putzte sich die Nase. »Gestern. Nachdem der Sheriff und der Polizist gefunden wurden. Sie haben gesagt, daß sogar seine Stiefel gebrannt haben.«
    »Jennifer, erinnern Sie sich an das Papier über posttraumatisches Streßsyndrom, das ich verteilt habe?«
    »Ja, Ma'am.«
    »An einem Ort wie diesem kann jeder davon betroffen werden. Jeder einzelne von uns. Auch ich.«
    »Sie?« Ihr Mund stand offen.
    »Sicher. Sogar mehr als alle anderen.«
    »Ich dachte, Sie wären daran gewöhnt.«
    »Gott behüte, daß sich auch nur einer von uns daran gewöhnt.«
    »Reagieren Sie manchmal so wie ich jetzt?« Sie flüsterte, als ob wir über Sex redeten. »Das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
    »Aber natürlich. Manchmal bin ich sehr durcheinander.«
    Wieder schwammen ihre Augen in Tränen, und sie atmete tief durch. »Jetzt geht's mir schon viel besser. Wissen Sie, als ich noch ein Kind war, hat mein Daddy immer zu mir gesagt, wie dumm und fett ich bin. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß jemand wie Sie genauso empfinden könnte wie ich.«
    »Niemand hätte jemals so etwas zu Ihnen sagen dürfen«, sagte ich mit Nachdruck. »Sie sind eine wunderbare Person, Jennifer, und wir sind froh, daß Sie bei uns arbeiten.«
    »Danke«, sagte sie ruhig mit gesenktem Blick.
    Ich stand auf. »Ich denke, Sie sollten jetzt nach Hause gehen und sich ein verlängertes

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