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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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eines früheren Lagerhauses für Tabak, neben Laura Ashley und einem Plattenladen. Ich betrat das Gebäude durch eine Seitentür, ging einen dunklen Korridor entlang und stieg in einen kleinen Aufzug, in dem maximal drei Personen meiner Statur Platz hatten. Im zweiten Stock erwartete mich wieder ein düsterer Korridor, an dessen Ende der Name der Galerie in schwarzer Schrift auf einer gläsernen Tür prangte.
    James hatte die Galerie nach seinem Umzug von New York nach Richmond eröffnet. Ich hatte einen Druck und einen geschnitzten Vogel bei ihm gekauft, und auch die kunstvolle Glastür in meinem Eßzimmer stammte von hier. Vor ungefähr einem Jahr war ich zum letztenmal hier gewesen, als ein Künstler aus Richmond mir zu Ehren geschmacklose seidene Laborkittel mit stilisierten Blutflecken und Knochen und Darstellungen von Verbrechen entworfen hatte. Ich bat James, sie nicht zu verkaufen. Daraufhin bestellte er noch mehr davon.
    Ich sah ihn hinter einem Schaukasten stehen und Armbänder arrangieren. Er blickte auf, als ich klingelte. Er schüttelte den Kopf und gab mir zu verstehen, daß die Galerie geschlossen war. Ich nahm Hut und Sonnenbrille ab und klopfte an die Glastür. Er starrte mich ausdruckslos an, bis ich meine Dienstmarke zog.
    Als er mich wiedererkannte, reagierte er zuerst erschrocken, dann schien er verwirrt. James, der darauf bestand, daß alle Welt ihn James nannte, weil er mit Vornamen Elmer hieß, kam zur Tür. Er sah mir noch einmal ins Gesicht, und als er die Tür aufmachte, klingelte ein Glöckchen.
    »Was um alles in der Welt wollen Sie denn hier?« sagte er, als ich eintrat.
    »Sie und ich, wir müssen miteinander sprechen.« »Ich hab keine Laborkittel mehr.« »Freut mich zu hören.«
    »Mich auch. An Weihnachten hab ich die letzten verkauft. Von diesen albernen Kitteln verkauf ich mehr als von allen anderen Sachen. Als nächstes wollen wir Chirurgenanzüge aus Seide anbieten. Solche, wie Sie sie tragen, wenn Sie Autopsien machen.«
    »Sie verhalten sich nicht mir gegenüber respektlos, sondern den Toten. Und tot werden Sie auch einmal sein. Vielleicht sollten Sie darüber mal nachdenken.«
    »Das Problem mit Ihnen ist, daß Sie keinen Sinn für Humor haben.«
    »Ich bin nicht hier, um mit Ihnen darüber zu reden, was Ihrer Ansicht nach mein Problem ist.«
    James war ein großer, nervöser Mann mit grauem Haar und Schnurrbart, er hatte sich auf minimalistische Malerei, Bronzeskulpturen, auf ungewöhnlichen Schmuck und Kaleidoskope spezialisiert. Natürlich hatte er eine Vorliebe fürs Bizarre, Despektierliche, und Schnäppchen waren in seiner Galerie nicht zu machen. Er behandelte seine Kunden, als müßten sie sich glücklich schätzen, Geld in seiner Galerie ausgeben zu dürfen. Ich war mir nicht sicher, ob es überhaupt jemanden gab, den er anständig behandelte.
    »Was wollen Sie von mir?« fragte er. »Ich weiß, was hier um die Ecke passiert ist, in Ihrem Leichenschauhaus.«
    »Das glaube ich. Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend jemand in Richmond noch nicht davon gehört hat.« »Stimmt es, daß einer der Polizisten in einem...« Ich starrte ihn wütend an.
    Er kehrte zu dem Schaukasten zurück, wo er, wie ich jetzt sah, winzige Preisschilder an goldene und silberne Armbänder anbrachte, die Schlangen, Zöpfen und Handschellen nachempfunden waren.
    »Die sind was Besonderes, nicht wahr?« Er lächelte.
    »Zumindest sind sie anders.«
    »Das gefällt mir am besten.« Er hielt ein Armband hoch, mit ineinander verflochtenen Händen aus Rotgold.
    »Vor ein paar Tagen war jemand in Ihrer Galerie und hat mit meiner Kreditkarte bezahlt«, sagte ich.
    »Ja. Ihr Sohn.« Er legte das Armband zurück in den Kasten.
    »Mein was?«
    Er sah mich an. »Ihr Sohn. Moment mal, ich glaube, sein Name ist Kirk.«
    »Ich habe keinen Sohn. Ich habe überhaupt keine Kinder. Und vor einiger Zeit wurde meine goldene American-Express-Karte gestohlen.«
    »Warum um alles in der Welt haben Sie sie nicht sperren lassen?« fragte er tadelnd.
    »Ich habe erst vor kurzem erfahren, daß sie gestohlen wurde. Aber auch darüber will ich nicht mit Ihnen sprechen. Sie müssen mir genau erzählen, was passiert ist.«
    James zog einen Stuhl heran und setzte sich. Mich ließ er stehen. »Er kam am Freitag vor Weihnachten«, sagte er. »Ungefähr um vier Uhr nachmittags.«
    »Es war ein Mann?«
    James blickte mich angewidert an. »Ich kenne den Unterschied. Ja. Es war ein Mann.«
    »Bitte, beschreiben Sie

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