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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ist sie erfroren.«
    »Unter welchen Umständen?« Ich mußte unwillkürlich an Jane denken.
    »Offensichtlich war sie mit Freunden unterwegs und hat getrunken. Als sie sie gegen elf Uhr abends nach Hause brachten, hat es ziemlich stark geschneit. Sie ließen sie aussteigen, haben aber nicht gewartet, bis sie im Haus war. Die Polizei glaubt, daß ihr der Schlüssel in den Schnee gefallen ist, und sie war so betrunken, daß sie ihn nicht mehr gefunden hat.«
    Er legte den Aorta-Abschnitt in ein Glas mit Formalin. »Dann wollte sie durch ein Fenster ins Haus klettern. Mit dem Gips hat sie versucht, die Scheibe einzuschlagen.«
    Er hob das Gehirn aus dem Schädel. »Das Fenster war zu hoch, und mit nur einem gesunden Arm wäre sie sowieso nicht hinaufgekommen, Dann ist sie vermutlich bewußtlos geworden.«
    »Nette Freunde«, sagte ich und ging weiter.
    Dr. Anderson, die neu war, fotografierte eine 91 jährige Frau mit einer gebrochenen Hüfte. Ich nahm die Papiere vom Tisch und las schnell die Fallgeschichte.
    »Ist das eine Autopsie?« fragte ich.
    »Ja«, antwortete Dr. Anderson.
    »Warum?«
    Sie hielt inne und sah mich durch ihren Gesichtsschild an. »Die Fraktur war vor zwei Wochen. Der Arzt in Albemarle meinte, daß sie an einer durch den Unfall bedingten Komplikation gestorben sein könnte.«
    »Unter welchen Umständen ist sie gestorben?«
    »Sie hatte Wasser in der Pleura und klagte über Kurzatmigkeit. «
    »Ich kann keinen direkten Zusammenhang zwischen diesen Beschwerden und einer gebrochenen Hüfte erkennen.«
    Dr. Anderson legte die behandschuhten Hände auf den Rand des Stahltisches.
    »Gott kann einen jederzeit zu sich rufen. Sie können sie frei geben. Sie ist kein Fall für den Leichenbeschauer.«
    »Dr. Scarpetta«, Fielding übertönte das Geräusch der Knochensäge. »Wissen Sie, daß am Donnerstag der Transplantationsausschuß tagt?«
    »Ich muß als Geschworene antreten.« Ich wandte mich an Dr. Anderson. »Haben Sie am Donnerstag einen Gerichtstermin?«
    »Die Sache ist noch nicht ausgestanden. Sie schicken mir dauernd Vorladungen, obwohl ihnen meine eidesstattliche Aussage schriftlich vorliegt.«
    »Bitten Sie Rose, sich darum zu kümmern. Wenn Sie nicht hinmüssen und wir am Donnerstag kein volles Haus haben, dann gehen Sie mit Fielding zu dem Ausschußtreffen.«
    Ich überprüfte Tische und Schränke und fragte mich, ob noch mehr Schachteln mit Handschuhen fehlten. Aber Gault schien nur die Schachtel aus dem Kombi an sich genommen zu haben. Ich überlegte, was ihn oben in meinem Büro noch interessiert haben könnte, und meine Gedanken verdüsterten sich.
    Ich ging direkt in mein Zimmer und öffnete die Tür des Schränkchens, auf dem mein Mikroskop stand. Ganz hinten bewahrte ich einen Satz Seziermesser auf, den Lucy mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Die Messer stammten aus Deutschland, waren aus rostfreiem Stahl mit glatten, leichten Griffen. Ich schob Mappen mit Dias, Zeitschriften, Glühlämpchen für das Mikroskop, Batterien und DruckerpapierStapel beiseite. Die Messer waren verschwunden.
    Rose saß in ihrem Büro, das sich neben meinem befand, und telefonierte. Ich wartete neben ihrem Schreibtisch.
    »Aber ihre eidesstattliche Aussage liegt Ihnen doch vor«, sagte sie. »Wieso schicken Sie ihr dann noch eine Vorladung, damit sie vor Gericht aussagt?«
    Sie sah mich an und verdrehte die Augen. Rose war nicht mehr die Jüngste, aber so wachsam und energisch wie eh und je. Ob es regnete oder die Sonne schien, sie war da, die Inspizientin von Les Miserables.
    »Ja, ja. Jetzt verstehen wir uns.« Sie kritzelte etwas auf einen Notizblock. »Ich versichere Ihnen, daß Dr. Anderson sehr dankbar sein wird. Natürlich. Auf Wiederhören.«
    Meine Sekretärin legte auf und wandte sich mir zu. »Sie sind zuviel weg.«
    »Sprechen Sie weiter«, sagte ich.
    »Sie sollten aufpassen. Sonst habe ich eines Tages einen neuen Arbeitgeber.«
    Ich war zu erschöpft, um in der gleichen Tonart zu antworten. »Ich würde es Ihnen nicht verübeln.«
    Sie sah mich an wie eine schlaue Mutter, die wußte, daß ihr Kind heimlich getrunken oder geraucht hatte. »Was ist los mit Ihnen, Dr. Scarpetta?«
    »Haben Sie meine Seziermesser gesehen?«
    Sie wußte nicht einmal, wovon ich sprach.
    »Lucy hat sie mir geschenkt. Drei Stück in einer Plastikschachtel. Sie waren unterschiedlich groß.«
    Sie erinnerte sich. »Ach ja. Jetzt weiß ich es wieder. Ich dachte, Sie heben sie in Ihrem Schrank auf.« »Sie sind nicht mehr

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