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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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fragte mich, was Gault dort gekauft hatte.
    »Er weiß, daß du ihn die ganze Zeit analysierst und an ihn denkst, Kay.«
    »Anna, willst du damit sagen, daß die Morde womöglich meine Schuld sind?«
    »Unsinn. Wenn du das glaubst, dann muß ich dich bitten, in meine Praxis zu kommen. Regelmäßig.«
    »Schwebe ich in großer Gefahr?«
    »Hm. Da muß ich vorsichtig sein.« Sie dachte eine Weile nach. »Ich weiß, wie andere darüber denken. Deswegen sind so viele Polizisten hier.«
    »Was meinst du?«
    »Ich persönlich glaube nicht, daß dir von ihm große Gefahr droht. Nicht im Augenblick. Aber jedem in deiner Umgebung. Er macht seine Realität zu deiner, verstehst du?«
    »Bitte, erkläre es mir.«
    »Er hat niemanden. Er möchte, daß auch du niemanden mehr hast.«
    »Er hat niemanden, weil er ein Mörder ist«, sagte ich wütend.
    »Jedesmal, wenn er tötet, isoliert er sich mehr. Und dich auch. Es steckt ein Muster dahinter. Siehst du es?«
    Sie kam zu meinem Bett und legte mir die Hand auf die Stirn.
    »Ich weiß nicht.«
    »Du hast kein Fieber«, sagte sie.
    »Sheriff Brown hat mich gehaßt.«
    »Siehst du, noch ein Geschenk. Gault dachte, du würdest dich darüber freuen. Er hat die Maus für dich getötet und ins Leichenschauhaus getragen.«
    Dieser Gedanke war mir unerträglich.
    Sie zog ein Stethoskop aus der Tasche und hängte es sich um den Hals. Mit ernster Miene hörte sie mich ab.
    »Tief einatmen.« Sie horchte auf Herztöne und Lungengeräusche. »Noch einmal bitte.«
    Sie tastete meinen Nacken ab und maß meinen Blutdruck. Sie war eine Rarität, eine Ärztin aus einer vergangenen Welt. Anna Zenner behandelte die ganze Person, nicht nur die Seele.
    »Dein Blutdruck ist ziemlich niedrig«, sagte sie.
    »Das weiß ich.«
    »Was geben sie dir hier?«
    »Ativan.«
    Sie entfernte die Manschette des Blutdruckmeßgerätes von meinem Arm. »Ativan ist in Ordnung. Es hat keine bekannten Nebenwirkungen auf die Atmung und die Herzgefäße. Und es ist gut für dich. Ich kann dir ein Rezept ausschreiben.«
    »Nein«, erwiderte ich.
    »Ein Beruhigungsmittel würde dir im Augenblick ganz gut tun.«
    »Anna, ich will keine Drogen nehmen. Gerade jetzt nicht.«
    Sie tätschelte mir die Hand und lächelte: »Du dekompensierst nicht.«
    Sie stand auf und zog ihren Mantel an.
    »Anna«, sagte ich. »Ich muß dich um einen Gefallen bitten. Was ist mit deinem Haus auf Hilton Head?«
    Sie lächelte. »Das ist noch immer das beste Beruhigungsmittel, das ich kenne. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?«
    »Diesmal werde ich auf dich hören. Ich habe in der Nähe etwas zu erledigen, und ich möchte so zurückgezogen wohnen wie nur möglich.«
    Dr. Zenner holte einen Schlüsselbund aus ihrer Handtasche und löste einen Schlüssel vom Ring. Dann schrieb sie etwas auf ein Rezeptformular und legte es zusammen mit dem Schlüssel auf den Tisch neben meinem Bett.
    »Zu deiner Verfügung«, sagte sie. »Schlüssel und Wegbeschreibung. Wenn es dich mitten in der Nacht überkommt, brauchst du mir nicht einmal Bescheid zu sagen.«
    »Das ist sehr nett von dir. Ich werd's bestimmt nicht lange brauchen.
    »Das solltest du aber. Es liegt direkt am Meer in Palmetto Dunes, es ist ein kleines bescheidenes Haus in der Nähe des Hyatt. Ich werd's in nächster Zukunft nicht brauchen und bin sicher, daß du dort ungestört sein wirst. Du kannst dich ja als Dr. Zenner ausgeben.« Sie kicherte. »Dort kennt mich eh niemand.«
    »Dr. Zenner«, übte ich. »Jetzt bin ich also Deutsche.«
    »Für mich bist du immer schon eine Deutsche gewesen.« Sie öffnete die Tür. »Egal, was sie dir erzählt haben.«
    Sie ging, und ich saß aufrecht, gestärkt und wach im Bett. Dann stand ich auf und ging ins Bad, bis ich hörte, daß jemand hereinkam. Ich erwartete Lucy, aber statt ihrer war Paul Tucker in meinem Zimmer. Ich stand barfuß und nur mit einem kurzen Krankenhaushemd bekleidet da und war zu überrascht, um verlegen zu werden.
    Er wandte den Blick ab, während ich mich wieder ins Bett legte und die Decke hochzog.
    »Tut mir leid. Captain Marino sagte, ich könne ruhig hereinkommen«, sagte Richmonds Polizeichef, dem nichts leid zu tun schien, egal was er behauptete.
    »Er hätte mich vorher fragen sollen«, sagte ich und sah ihm direkt in die Augen.
    »Daß Captain Marino keine Manieren hat, wissen wir alle. Darf ich?« Er deutete auf den Stuhl.
    »Bitte. Was bleibt mir anderes übrig.«
    »Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, weil im Augenblick

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