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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ruhig.«
    »Du bist ein Wrack.«
    »Ich bin kein Wrack.«
    »Du hattest beinahe einen Herzinfarkt.«
    »Ich hatte Muskelkrämpfe und habe hyperventiliert«, sagte ich. »Ich weiß genau, was ich hatte. Ich hab das Kardiogramm gesehen. Ich hatte nichts, was ich nicht mit einer Papiertüte über den Kopf und einem heißen Bad wieder hingekriegt hätte.«
    »Sie werden dich jedenfalls hier nicht eher rauslassen, bis feststeht, daß du keine Krämpfe mehr bekommst. Mit Schmerzen in der Brust ist nicht zu spaßen.«
    »Mein Herz ist völlig in Ordnung. Und sie werden mich rauslassen, wenn ich es sage.«
    »Du bist widerspenstig.«
    »Das sind die meisten Ärzte.«
    Lucy starrte stur an die Wand. Seit sie mein Zimmer betreten hatte, war sie nicht gerade freundlich zu mir. Ich wußte nicht, warum sie wütend war.
    »Woran denkst du?« fragte ich sie.
    »Sie wollen einen Kommandoposten einrichten«, sagte sie. »Im Flur haben sie davon gesprochen.«
    »Einen Kommandoposten?«
    »Im Polizeipräsidium. Marino hat ständig telefoniert. Mit Mr. Wesley.«
    »Wo ist er?«
    »Mr. Wesley oder Marino?«
    »Benton.«
    »Er ist unterwegs.«
    »Er weiß, daß ich hier bin«, sagte ich.
    Lucy sah mich an. Sie war nicht auf den Kopf gefallen. »Er ist unterwegs hierher«, sagte sie, als eine große Frau mit kurzem grauem Haar und durchdringenden Augen hereinkam.
    »Na, na, Kay« sagte Dr. Anna Zenner und nahm mich in den Arm. »Jetzt muß ich also Hausbesuche machen.«
    »Ein Hausbesuch ist das eigentlich nicht«, entgegnete ich. »Wir sind hier in einem Krankenhaus. Erinnerst du dich an Lucy?«
    »Natürlich.« Dr. Zenner lächelte Lucy zu. »Ich warte draußen«, sagte Lucy.
    »Du hast wohl vergessen, daß ich nur komme, wenn es absolut nicht anders geht«, fuhr Dr. Zenner fort.
    »Danke dir, Anna. Ich weiß, daß du keine Hausbesuche, Krankenhausbesuche oder sonstigen Besuche machst«, sagte ich und meinte es auch so, als Lucy die Tür schloß. »Ich bin so froh, daß du da bist.«
    Dr. Zenner setzte sich an mein Bett. Sofort spürte ich ihre Kraft. Sie dominierte einen Raum, ohne es zu wollen. Für jemanden Anfang Siebzig war sie erstaunlich fit, und sie war einer der besten Menschen, die ich kannte.
    »Was hast du dir angetan?« fragte sie mit einem deutschen Akzent, der über die Jahre kaum unauffälliger geworden war.
    »Ich fürchte, sie gehen mir jetzt doch an die Substanz«, sagte ich. »Meine Fälle.«
    Sie nickte. »Sie machen Schlagzeilen. Wann immer ich heute eine Zeitung aufschlage oder den Fernseher anschalte, geht es um nichts anderes.«
    »Ich hätte heute abend um ein Haar Lucy erschossen.« Ich sah ihr in die Augen.
    »Erzähl mir, was passiert ist.«
    Ich erzählte es ihr.
    »Aber du hast nicht geschossen?«
    »Ich war nahe dran.«
    »Hast du geschossen?«
    »Nein.«
    »Dann warst du nicht so nahe dran.«
    »Dann wäre es aus mit mir gewesen.« Ich schloß die Augen, weil sie sich mit Tränen füllten.
    »Kay, es wäre auch aus mit dir gewesen, wenn jemand anders den Gang entlanggekommen wäre. Jemand, vor dem du dich zu Recht fürchtest. Verstehst du, was ich meine? Du hast so gut reagiert, wie du konntest.«
    Ich holte tief Luft.
    »Und das Ergebnis ist gar nicht schlecht. Lucy geht es gut. Sie ist gesund und sieht hervorragend aus.«
    Ich weinte wie schon lange nicht mehr und bedeckte mein Gesicht mit den Händen. Dr. Zenner massierte mir den Rücken und zog Taschentücher aus einer Schachtel, aber sie versuchte nicht, mich aus meiner Depression herauszureden. Sie ließ mich einfach weinen.
    »Ich schäme mich so«, sagte ich schließlich schluchzend.
    »Du brauchst dich nicht zu schämen. Manchmal mußt du es einfach rauslassen. Du tust das nicht oft genug, und ich weiß, was du täglich siehst.«
    »Meine Mutter ist schwer krank, und ich war nicht in Miami, um sie zu besuchen. Nicht ein einziges Mal. In meinem Büro bin ich eine Fremde. Ich kann nicht mehr in meinem Haus wohnen -oder sonst irgendwo - ohne Polizeischutz.«
    »Vor deinem Zimmer stehen eine Menge Polizisten.«
    Ich öffnete die Augen und sah sie an. »Er dekompensiert«, sagte ich.
    Sie erwiderte meinen Blick.
    »Und das ist gut für uns. Er wird wagemutiger, das heißt, er geht größere Risiken ein. Das hat Bundy am Schluß auch getan.«
    Dr. Zenner tat das, was sie am besten konnte. Sie hörte zu.
    »Je weiter er dekompensiert, desto eher wird er einen Fehler machen und wir können ihn fassen.«
    »Außerdem würde ich annehmen, daß er im

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