Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition)
beiden die Karrierechancen ruinierte.
Noch etwas anderes ließ Addison frösteln: Masons Stimme klang nüchtern, furchtsam und aufrichtig. Tatsächlich konnte sich die Eindringlichkeit seines Vortrags fast an Churchill messen, wies aber keine Spur von Hysterie oder Trunkenheit auf.
Aber Massenmord? Gehirnsonden? Replikanten? Monster unter den Einwohnern? Es war kaum zu glauben.
»… holen Menschen in diesen großen, fensterlosen Lieferwagen mit der blauen Fahrerkabine und dem weißen Laderaum ab und bringen sie in Lagerhäuser, wo sie getötet werden, nachdem sie durch ihre Replikanten ersetzt wurden ...«
Addison hörte weiterhin zu, während er seinen Cowboyhut aufsetzte, seinen Mantel anzog und sich seinen Schal um den Hals band. Er wohnte zentral und ging immer zu Fuß zur Arbeit. Jetzt hatte er die Absicht, nach Hause zu gehen, sein Geländefahrzeug zu holen und zum Sender rauszufahren, um sich selbst ein Bild davon zu machen, ob das eine Art dummer Scherz war, um für den Rundfunksender zu werben, oder ein unerklärlicher Abstieg des Talkmasters in den Wahnsinn.
Er schaltete das Radio und auf dem Weg zur Tür der Reihe nach alle Lichter aus, trat ins Freie und schloss die Tür hinter sich ab. Als er sich zur Straße umdrehte und bevor er auf den beleuchteten Bürgersteig trat, sah er einen fensterlosen Lieferwagen näher kommen, einen von genau der Sorte – blaue Fahrerkabine, weißer Laderaum –, vor der Mason Morrell die Bevölkerung gewarnt hatte.
In der Tiefe des Hauseingangs, der unbeleuchtet war, drückte sich Addison flach an die Tür. Der Lieferwagen war das einzige Fahrzeug auf der Beartooth Avenue, die normalerweise selbst in den frühen Stadien eines Schneesturms nicht derart menschenleer gewesen wäre. Durch die Windschutzscheibe konnte er zwei Personen erkennen, bezweifelte aber, dass sie ihn in diesem dunklen Hauseingang entdecken würden.
Vielleicht war seine Fantasie durch das, was er im Radio gehört hatte, überhitzt, aber etwas kam ihm falsch vor an diesem Abend; das einzige Geräusch war der Motor des Lieferwagens, und es gab keine Fußgänger, die vorüberkamen, obwohl es noch nicht spät war. Die Straße war weder geräumt noch gestreut, obwohl der städtische Räum- und Streudienst sonst immer unterwegs war, sobald der Schnee zwei Zentimeter hoch lag, um dem Schneesturm immer einen Schritt voraus zu sein. Außerdem herrschte eine gespenstische Atmosphäre, die Addison spürte, aber nicht ohne Weiteres definieren konnte.
Da er den verdächtigen Lieferwagen genau im Auge behielt, sah er, wie sich die große, breitschultrige Gestalt mit dem gewaltigen Brustkorb aus dem Nichts auf dem Trittbrett auf der Beifahrerseite des Fahrzeugs materialisierte, in einen langen Umhang mit Kapuze gehüllt.
Wie durch Zauberei.
Eine Erscheinung, die aus dem Nichts auftauchte.
Der Riese packte den Haltegriff an der Fahrerkabine, schlug mit seiner Faust das Seitenfenster ein und riss die Tür auf, während der Lieferwagen bremste, in dem Schnee leicht ins Schleudern geriet und zum Stehen kam.
34.
Im einen Moment war Frankensteins verlorener Sohn noch nicht da und im nächsten Moment dafür umso mehr, und Splitter der eingeschlagenen Fensterscheibe rieselten auf Michael, wenngleich ohne ihn zu verletzen. Die Tür wurde aufgerissen, und Michael rief seinen Namen – »Michael, Michael, ich bin’s, ich, ich!« –, damit der große Kerl ihm nicht das Genick brach, doch schon während er seinen Ruf ausstieß und Carson bremste, sah er, dass er erkannt worden war.
Deucalion sprang vom Trittbrett, als der Wagen zum Stehen kam, und Michael kletterte hinaus. »Danke, dass du mich nicht umgebracht hast.«
»Gern geschehen.«
Michael wusste nicht, warum Deucalion in dem Schneegestöber noch größer aussehen sollte als unter anderen Umständen, aber er erschien ihm wesentlich größer. Vielleicht lag es daran, dass dichter Schnee bei Dunkelheit unter allen Umständen eine magische Atmosphäre schuf, die Deucalions nahezu übernatürliches Äußeres hervorhob. Vielleicht lag es aber auch daran, dass dies der Beginn des letzten Weltenkampfes war. Sie steckten mittendrin, und Michael war so froh darüber, Deucalion auf ihrer Seite zu haben, dass er sich einbildete, der Riese sei noch größer, als er war.
»Ich fasele Blödsinn«, erklärte Michael.
Deucalion sah ihn stirnrunzelnd an. »Du hast doch nur sieben Worte gesagt.«
»In meinem Kopf. In meinem Kopf quatsche ich mich selbst mit Blödsinn
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