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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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meinem Vater und mir geholfen, hat sich um alles gekümmert. Im Laufe der Zeit habe ich seine Güte und seine Charakterstärke zu schätzen gelernt, wie auch seine ausgeprägte Zuverlässigkeit. Danach … kam mir Julius … oberflächlich vor. Ich merkte, wie recht mein Vater gehabt hatte.« Sie stand reglos da, Rücken und Schultern waren steif. »Die arme Minnie, so stark, so selbstsicher, so … so begeisterungsfähig und voll Leidenschaft … und am Ende so unvernünftig.«
    Obwohl alles, was sie gesagt hatte, der Wahrheit entsprach, fragte sich Pitt, ob sie Minnie Sorokine sympathisch gefunden hatte. Weder ihren Worten noch ihrer Haltung war der geringste Hinweis darauf zu entnehmen gewesen.
    »Mrs Quase, hat sie Ihnen irgendetwas über das gesagt, was sie bei ihren Fragen erfahren hat? Falls ja, muss ich das unbedingt wissen.«
    »Warum? Es ist vorbei, und Minnie ist tot.« In ihrer Stimme lag eine sonderbare Endgültigkeit.
    Er konnte nicht in ihrem Gesicht lesen. War das ihre Absicht? »Es ist keineswegs alles vorbei«, verbesserte er sie. Er tat das ungern. »Bisher habe ich keinerlei Beweise in Händen – weder, was ihren Tod angeht«, fuhr er fort, »noch, was den der Prostituierten betrifft. Ganz davon abgesehen, scheint auch eine ganze Reihe anderer Dinge keinen rechten Sinn zu ergeben.«
    »Ist das denn von Bedeutung?« Jetzt lag in ihrer Stimme unverhüllte Angst.
    »Ja. Wollen Sie nicht, dass all das aufgeklärt wird, bevor Sie aus dem Palast in Ihr Alltagsleben zurückkehren?«
    Sie wandte sich noch weiter von ihm ab. »Das dürfte wohl sehr bald geschehen. Ich weiß nicht, wie wir ohne Julius weiterkommen
sollen. Ich kann mir vorstellen, dass Cahoon eine ganze Weile lang die Lust vergangen sein wird, das Projekt weiter voranzutreiben.«
    »Wird Sie das sehr bekümmern? Oder Ihren Mann und Mr Marquand?«
    Sie war so überrascht, dass sie ihn wieder ansah. »Das weiß ich nicht. Cahoon war stets derjenige, dem es nicht schnell genug gehen konnte. Ich denke, er wird jemanden finden, der die diplomatischen Verwicklungen an Julius’ Stelle löst.«
    »Hat Mrs Sorokine Ihnen etwas über ihre Schlussfolgerungen gesagt?«, hakte er noch einmal nach.
    Ihr Blick wurde offener. »Lediglich so viel, dass sie festgestellt habe, wo die Tat geschehen ist«, sagte sie. »Eine ziemlich sinnlose Aussage, wo doch jeder von uns weiß, dass es in der Wäschekammer war. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich angenommen hatte, sie wolle sich damit lediglich interessant machen.«
    »Danke, Mrs Quase.«
    Sie wandte sich ab und ging langsam am Rande des Rasens davon.
    Er folgte ihr nicht, sondern kehrte in den Palast zurück, wobei er sich immer wieder durch den Kopf gehen ließ, was sie gesagt hatte. Es schien nur eine mögliche Schlussfolgerung zu geben: trotz des vielen Blutes war Sadie nicht in der Wäschekammer getötet worden, in der man die Leiche entdeckt hatte.
    Aber sobald er einen Punkt in einen logischen Zusammenhang eingeordnet hatte, schien sich der nächste wieder zu lösen. Nicht einmal ein Irrer hätte die Frau erst getötet und dann die heftig blutende nackte Leiche an einen anderen Ort getragen, in diesem Fall zu der Wäschekammer, in der man sie aufgefunden hatte.
    Hatte jemand sie angegriffen und tödlich verwundet in die Laken der Königin gewickelt dorthin gebracht, weil die Tat aufgrund dieses Fundorts mit keinem bestimmten Menschen in Verbindung gebracht würde? Hatte er die Laken in die Waschküche geschafft, in der Hoffnung, dass niemand sie dort fand und genau
genug ansah, um zu erkennen, wem sie gehörten? Diese Hypothese klang ziemlich vernünftig.
    Doch wo war sie getötet worden? In wessen Bett? Wohl in Julius Sorokines. Doch woher hatte seine Frau das gewusst?
    Pitt befand sich erneut in seinem Arbeitsraum und befragte jeden der Angehörigen des Personals, die Gracie am Vortag im Gespräch mit Mrs Sorokine beobachtet hatte. Alle wiederholten, was er schon aus Gracies Mund wusste. Allerdings war es mühevoll und zeitraubend, ihnen diese Informationen zu entlocken, ohne preiszugeben, dass die Befragten belauscht worden waren, während sie mit Minnie Sorokine sprachen.
    Offensichtlich hatte sie nach Laken gefragt. Ihr besonderes Augenmerk hatte, wie es schien, den Porzellanscherben gegolten, denn sie hatte Mr Tyndale nicht nur genau gefragt, um welchen Gegenstand es ging, sondern auch, welche Farbe und Form er gehabt hatte. Er hatte darauf lediglich kurz und ausweichend geantwortet.

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