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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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die von dem Teller oder was? Mr Tyndale hat deswegen richtig Angst.« In ihren Augen lag große Unsicherheit. »Bestimmt hat er dafür gesorgt, dass man die gut versteckt.«
    »Das kann ich mir denken. Möglicherweise weiß er als Einziger, wo sie sich befinden«, gab er ihr recht. »Er dürfte kaum bereit sein, mir das zu sagen. Sollte er den Eindruck gewinnen, dass ich anfange, danach zu suchen, ist vorstellbar, dass er die Scherben in so kleine Krümel zerschlägt, dass man nichts mehr erkennen kann.«
    »Se woll’n also, dass ich ’m sag, Se suchen danach, und dass ich ’n vielleicht noch mal danach frag’?«, erkundigte sie sich.

    »Bitte tu das. Sag ihm, dass ich für die Suche nach diesen Scherben erforderlichenfalls Helfer von außerhalb des Palastes hinzuziehen werde, weil mir klar geworden ist, dass sie für die Lösung des Falles von entscheidender Bedeutung sind.«
    »Is das tatsächlich so?«
    »Das weiß ich noch nicht. Mrs Sorokine schien dieser Ansicht zu sein. Welchen Grund gäbe es, die Reste zu verstecken, wenn es sich nicht so verhielte?« Er sah in ihr kleines Gesicht, das neugierig auf ihn gerichtet war, und begriff, dass sie sich als Verräterin fühlte, weil sie im Begriff stand, einen Mann hinters Licht zu führen, der ihr zuliebe die eigene Sicherheit und Anstellung aufs Spiel gesetzt hatte. »Es tut mir leid«, fuhr er fort, »doch ich muss unbedingt wissen, ob Sorokine wirklich schuldig ist. Es steht zu befürchten, dass man ihn morgen festnehmen wird. Anschließend wird niemand mehr seine Stimme für ihn erheben, denn eine Gerichtsverhandlung wird es mit Sicherheit nicht geben.«
    Sie war sehr bleich. »Ich weiß. Der kommt dann nach Bedlam, wo’s entsetzlich dreckig is’ und alle dauernd fürchterlich schreien. Se ha’m mir damals davon erzählt.« Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. »Ich geh und sag’s ihm.« Sie konnte kaum ihre Tränen zurückhalten. Rasch wandte sie sich ab und ging mit steifen Bewegungen hinaus. Ihm war klar, dass in ihr ein ebenso heftiger Widerstreit der Gefühle tobte wie in ihm.
    Ihn würde es die größte Mühe kosten, Tyndale unauffällig zu beobachten, nachdem Gracie mit ihm gesprochen hatte, während es für sie ganz leicht war, sich in seiner Nähe zu halten. Sie konnte jederzeit mit einem Tablett, einem Mopp oder einem Stapel Wäsche hin und her eilen und den Eindruck erwecken, sie habe dort zu tun.
    Nahezu zwei Stunden nachdem Pitt sie um Unterstützung gebeten hatte, händigte sie ihm mit kläglicher Miene wortlos eine Pappschachtel mit Porzellanscherben aus. Dass sie weder etwas sagte noch auf irgendeine Weise einen Vorwurf ausdrückte, machte die Sache für ihn nur umso schlimmer.
    Gemeinsam gingen sie nach oben und stellten die Schachtel in
seinem Arbeitsraum auf den Tisch. Gracie blieb dabei stehen, als sei ihre Anwesenheit selbstverständlich.
    Mit äußerster Sorgfalt nahm er die Scherben aus dem Zeitungspapier, in dem man sie eingesammelt hatte. Manche der kleinen Porzellanstückchen waren nur Splitter, andere aber immerhin zwei bis drei Zentimeter groß. Man konnte darauf ein exquisites Dekor erahnen: zierliches goldenes Rankenwerk, Blätter und etwas, was wie ein Teil des blauen Kleides einer Frau aussah. Das größte der Stücke war gekrümmt, als habe es zu einem geschwungenen Sockel gehört.
    Gracie nahm ein fast vollständig weißes Stück zur Hand und drehte es zwischen den Fingern. »Sieht aus, wie wenn ’s der Boden gewesen wär’«, sagte sie nachdenklich. »Aber was soll das ganze Theater um ’nen kaputten Teller? Warum hat man die Reste versteckt, statt das alles einfach wegzuwerfen, wie immer, wenn was kaputtgeht? Mein’ Se, es is’ was Besondres? Vielleicht von der Königin?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er aufrichtig und nahm seinerseits ein ziemlich großes Stück von unregelmäßiger Form zur Hand. »Das Dekor ist großartig, aber ich weiß nicht, was es darstellen könnte.« Er drehte das Bruchstück um. »Es scheint auf beiden Seiten bemalt gewesen zu sein. Für eine Schale sieht das hier nicht tief genug aus. Ob es von einem Deckel ist? Wie kann etwas nur in so kleine Stücke zerspringen? Es sind ja fast nur noch Krümel.«
    »Jemand hat’s an die Wand geknallt«, sagte Gracie und verzog das Gesicht. »Wenn man was fallen lässt, sieht das nich’ so aus, nich’ mal auf Steinfußboden. Da oben bei’n feinen Herrschaften aber sin’ die Böden aus Holz – da würd’s nur ’n paar große Stücke

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