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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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in dem er daran ziehen wollte, erstarrte seine Hand mitten in der Bewegung. Und wenn nun die Leute gar nicht gelogen hatten? Vielleicht hatten sie den Tafelaufsatz deshalb nie gesehen, weil er sich nicht in einem der Räume befand, die sie gewöhnlich sauber hielten, sondern zum Beispiel in den Privatgemächern des Kronprinzen?
    Ein unbeherrschter Streit, eine hysterische Frau, zu Bruch gegangenes Porzellan. So etwas musste unter allen Umständen geheim bleiben. War es so gewesen? Wenn nun Sadie zu etwas, was man von ihr verlangt hatte, nicht bereit gewesen war oder sich
nicht in der Lage dazu gesehen hatte? Der Kronprinz hatte viel getrunken, die Beherrschung verloren und um sich geschlagen. Und weiter? Hatte er sie getötet? Ihr mit einem der Fleischmesser die Kehle durchgeschnitten und sie dann weiter aufgeschlitzt?
    War er so betrunken gewesen, dass er danach das Bewusstsein verloren hatte, am nächsten Morgen neben der blutbedeckten Leiche aufgewacht war und nach Dunkeld geschickt hatte, damit ihm dieser aus der Patsche half?
    Es klopfte. Er fuhr herum, als sei ein Schuss gefallen. In dem Bemühen, die Ruhe zu bewahren, atmete er langsam ein und aus, während sein Herz weiter heftig schlug. »Ja?«
    Gracie trat ein und schloss die Tür hinter sich. Sie lehnte sich an den Knauf und sah ihn an. »Er hat’s Ihn’ also nich’ gesagt«, sagte sie leise. »Was is’ da bloß los? Die Leute lügen nich’. Keiner weiß was, wirklich nich’. Was hat das zu bedeuten?«
    »Möglicherweise nichts anderes, als dass der Tafelaufsatz in einen Raum gehörte, zu dem diese Menschen keinen Zutritt haben«, sagte er mit ausgedörrtem Mund. »Mr Tyndale allerdings weiß Bescheid und nimmt allem Anschein nach eher den Vorwurf auf sich, dass er einen Mord deckt, als das preiszugeben.«
    Ihre Augen wurden weit, und sie presste die Lippen zusammen. Offenbar dachte sie dasselbe wie er. Hätte er sie nicht mit hergebracht, wäre ihr das erspart geblieben. Es war nicht recht. Sie gehörte weder zur Polizei noch zum Staatsschutz. »Es tut mir leid«, sagte er leise.
    »Was machen Se jetz’?«, flüsterte sie. »Mr Tyndale sagt’s Ihn’ nie. Wenn ’s bei ’nem Streit oder so kaputtgegangen wär, würd’ er’s tun, damit Se nich’ denken, was Se jetz’ denken. Da war aber kein Blut dran.«
    »Das ist mir bekannt. Aber wenn es bedeutungslos ist und nichts mit Sadies Tod zu tun hat – warum lügt er dann? Und das tut er, dessen bin ich sicher.«
    »Ich weiß.« Sie wirkte elender als zuvor. »Er will den Kronprinz decken. Ich nehm mal an, dass er das ziemlich oft tun
muss. Das is’ so ’ne Art Treue …« Ihre Züge verfinsterten sich. »Halten Se das für richtig? Müssen wir das machen? Müssen Sie das auch machen? Und ich?«
    »Damit Sorokine den Rest seines Lebens für eine Tat im Irrenhaus verbringt, die er nicht begangen hat?«, fragte er zurück.
    Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Und was machen wir jetz’ also?«
    Er lehnte sich an die Tischkante. »Ich bin nicht sicher. Der Tafelaufsatz ist nicht einfach von irgendwo heruntergerissen worden und in zwei oder drei Stücke zerbrochen. Jemand hat ihn in einem wilden Wutanfall zertrümmert. Wir werden nie erfahren, ob die Frau den Mann ausgelacht, verspottet oder ihm gedroht hat, herumzuerzählen, was auch immer es zu erzählen gab. Auf jeden Fall hat er einen Anfall bekommen und ihr die Kehle durchgeschnitten …«
    »Womit?«, fiel sie ihm ins Wort.
    »Vielleicht mit dem Fleischmesser – es waren Blutspuren daran. Vielleicht auch mit irgendeinem anderen Messer. Wir haben es nicht gefunden, weil wir nicht danach gesucht haben. Das Tafelmesser hat jemand in die Wäschekammer gelegt, nachdem wir die Leiche fortgeschafft hatten. Das Blut daran muss nicht unbedingt von einem Menschen stammen.«
    »Dann hat man se also gar nich’ da umgebracht?«, fragte Gracie.
    »Nein. Wohl eher in seinen Privatgemächern. Deshalb sind dann auch die Lakaien mit Eimern voll Wasser die Treppen auf-und abgeeilt, um alles wieder in Ordnung zu bringen.«
    »Mein’ Se, er hat die Lakaien kommen lassen?«, fragte sie ungläubig.
    »Nein. Ich nehme an, dass er nach Cahoon Dunkeld geschickt hat. Vermutlich haben sie lediglich das Wasser gebracht, während Dunkeld die Spuren beseitigt hat, möglicherweise sogar gemeinsam mit dem Prinzen. Ein solches Geheimnis würden sie mit niemandem teilen wollen.«
    »Was machen wir jetz’?« Die Angst in ihren Augen war unübersehbar.
»Wir könn’

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